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0210 Iranische Felsreliefs : vol.1
Iranische Felsreliefs : vol.1 / Page 210 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000244
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und Dareios selbst. Er kann auch als Prätendent des Großkönigtums nicht persönlich in kriegsmäßigem Gewande das Heer befehligt, sondern, wie er einen seiner Generäle nach Arachosien sandte, den Schlachten nur im großköniglichen Ornate beigewohnt haben. — Die letzte Figur, Skunka, über dessen Unterwerfung nur die verstümmelte und später zugefügte Kolumne V der Inschrift Auskunft gibt, trägt die enorm lange spitze Mütze, kann also nur ein spitzmütziger oder europäischer Sake sein. Die stark beschädigte Inschrift macht es gerade noch deutlich, daß nur die europäischen Skythen gemeint sein können: Die Worte: „[Mit dem Heere] zog ich nach Skythien; gegen Skythien [marschierte ich ...] den Tigris [überschritt ich ...] bis zum Meere ... ich überschritt ..." sind gar nicht anders zu interpretieren.

Zu dem Charakter der Skulptur ist noch zu erwähnen, daß in den Köpfen, die man bei King-Thompson besser beurteilen kann, als auf unserer Tafel XXXV, noch weit deutlicher als in den Skulpturen von Persepolis das Bestreben hervortritt, ihnen etwas Individuelles zu geben. Schnitt und Größe der Augen, Schwung der Brauen, Profil und Breite der Nase weichen recht merklich voneinander ab, wie ja auch Haar- und Barttracht deutlich charakterisiert sind.

Selbst das Auramazda-Symbol, welches wie die Göttersymbole der alten Siegesdenkmale des Zagros über der Szene schwebt, ist nicht das gleiche wie in Persepolis. Der Unterschied der Haartracht bezieht sich wie auf den König so auch auf den Gott. In Bisutün ragt die Göttergestalt nicht so hoch aus der Ringscheibe heraus wie dort, und sind die Federn des Schweifes viel gespreizter als in Persepolis.

Die Untersuchung des Felsreliefs von Bisutün ergibt also eine sich markant von der Kunst von Persepolis und Susa scheidende Vorstufe der achaemenidischen Kunst. Das Relief ergänzt sehr wesentlich die Vorstellung, die wir uns nach den wenigen Resten in Pasargadae, von der persischen Kunst unter Kyros und Kambyses bilden dürfen. Ferner ergibt sich zur Evidenz, daß die ganze achaemenidische Kunst die unmittelbare Weiterbildung der medischen ist, daß man also die meisten ihrer Erscheinungsformen in ein nicht ûnwesentlich höheres Alter hinaufprojizieren darf, und der Annahme eklektischer Einflüsse in späterer Zeit die berechtigteste Skepsis entgegensetzen muß. Schließlich bereichert diese Untersuchung die Gruppe der Motive und Elemente, welche die persische Kunst auf iranischem Boden schon vorfand, und ohne Vermittlung der anderen vorderasiatischen Kulturländer aufnehmen und weiterentwickeln konnte.

Wie alles Lebendige hat auch die persische Kunst eine kontinuierliche Entwicklung, und das Tempo dieser Entwicklung ist gar nicht einmal ein sehr langsames. Hier an dem Felsrelief von Bisutün können wir gerade den großen und letzten Aufschwung dieser Kunst bis auf den Zeitraum weniger Jahre fixieren: was das Artemision für die altionische, das Parthenon für die altattische Kunst war, das war Persepolis für die altpersische: es führt sie auf den Höhepunkt, auf dem sie sich als letzte Erscheinungsform der altorientalischen Kunst eine kurze Weile erhält, um dann rasch zu verfallen, vom griechischen Occident längst übertroffen und besiegt.