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0260 Iranische Felsreliefs : vol.1
Iranische Felsreliefs : vol.1 / Page 260 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000244
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sonstigen künstlerischen Vorzügen eine ganz besondere Bedeutung. In dieselbe Blütezeit der sasanidisehen Kunst gehört die kleine Silberfigur eines lanzenschwingenden Mannes, die wir oben erwähnt und abgebildet haben (Abb. io8).

Überblicken wir noch einmal die Reliefskulpturen, die in einem Zeitraume von 8o Jahren, seit der Begründung der Sasanidenherrschaft durch Ardashir, entstanden sind, so zeigt sich eine stetig fortschreitende künstlerische Entwickelung. Die enge Befangenheit im Überlieferten und die schematische und rohe Wiedergabe derselben Vorwürfe hat sich nach und nach zur Freiheit, zur sicheren Beherrschung der künstlerischen Formensprache, zur Fähigkeit entwickelt, jene überlieferten Szenen und neuerfundenen Vorwürfe in charakteristischer Frische und Lebendigkeit wiederzugeben.

Dem Ende des 4. Jahrhunderts, der Regierungszeit von Shäpür III. (383-388) und Warahrän IV. (389-399), gehört eine Gruppe von Felsreliefs an, die eine eigentümliche Weiterentwickelung jener schon charakterisierten Reliefkunst bezeichnen (Taf. VI, VIII, LI). In diesen drei an der Felswand von Naqsh i Rustam befindlichen Skulpturen, die eng zusammengehören und leider sämtlich durch mutwillige Zerstörung besonders gelitten haben, ist der Wappenstil und die Symmetrie des Aufbaues ganz aufgegeben zugunsten einer freien und äußerst lebendigen Schilderung und einer realistischen Wiedergabe des Moments. In der Kunstgeschichte aller Zeiten und Völker gibt es kaum eine gleich lebendige Darstellung von Kampfszenen, wie sie auf diesen Reliefs vorkommen. Diesem frischen und lebendigem Vortrag verbindet sich eine sichere und korrekte Zeichnung, bei der die Wiedergabe des Details in der Bewaffnung usw. nicht vergessen ist. Das bedeutendste dieser Reliefs ist die Schilderung, wie Warahrän IV., gefolgt von seinem Standartenträger, auf fliegendem Pferde über einen Verwundeten oder Toten hinweg anstürmt und den Gegner mit der gefällten Lanze am Halse trifft (Taf. VIII). Unter dem gewaltigen Anprall sinkt das Pferd auf die Hinterhand und die Lanze des Gegners schnellt schräg empor. Bewunderungswürdig ist diese letztere Figur wiedergegeben, die noch im Sturze sich mit den Schenkeln auf dem niedersinkenden Pferde aufrechtzuerhalten bestrebt ist. Auch die beiden anderen Reliefs, die auf Tafel VI und LI wiedergegeben sind, stehen diesem glänzenden Skuipturwerk nur wenig nach. Ein viertes derartiges sasanidisches Relief, vielleicht das bedeutendste, jedenfalls das figurenreichste von allen, befindet sich in Firûzabäd (Flandin et Coste Pl. 43 und Dieulafoy V, Fig. irrbis). Daß dieselbe Zeit daneben konventionelle Porträtfiguren nach dem Vorbilde der älteren Epoche schaffen konnte, zeigt die Rückwand der kleinen Höhle von Täq i bustän, wo Shäpür II. (309-379) und sein Sohn Shäpür III. (383-388) in reichem Königsschmuck nebeneinander dargestellt sind (Dieulafoy V, Fig. 104).

Merkwürdig ist es, daß zwei Jahrhunderte vergehen, ohne uns in Felsreliefs Spuren künstlerischer Tätigkeit zu hinterlassen. Erst die auf Khosrau II. (590.-628) zurückgehenden Skulpturen von Täq i bustän zeigen, daß die monumentale Reliefkunst der Sasaniden weitergebläht und kurz vor dem Untergange des Reiches noch einmal einen gewaltigen Aufschwung genommen hat (Taf. XXXVII—XXXIX). Wir haben im voraufgehenden gezeigt, daß die sasanidischen Felsreliefs anfangs feierliche Akte wie die göttliche Investitur der Herrscher oder bedeutende Siege darstellen, die in monumentaler und ernster Weise wiedergegeben wurden, daß dann aber daneben nach und nach sich eine lebendigere Darstellungsweise entwickelte und sich in ihren Vorwürfen nicht mehr auf Zeremonien beschränkte. Hier in Taq i bustän finden wir beides. Die drei Relieffiguren in der Zünette an der Hinterwand der großen Grotte stellen, wie wir oben (Seite 202 ) ausführten, die übliche Belehnungsszene dar: Khosrau empfängt von Ormuzd und Anahit den Ring der Herrschaft. Diese monumentale Gruppe ist wenig erfreulich. Dem Bestreben, eine möglichst große Symmetrie im Aufbau herzustellen, ist alles geopfert. Die ganz en face gestellten Figuren in überreicher Tracht zeigen in der Haltung der Arme, daß es dem Künstler immer noch nicht möglich ist, eine ungezwungene Armbewegung zu bilden. So strecken der König und die Göttin den linken Arm über ihre Brust fort nach rechts, um den Kranz zu fassen oder zu reichen, und zeigen so ganz unmögliche Stellungen. Symmetrisch flattern Bänder teils zur Seite, teils in die Höhe, um den leeren Raum zu füllen. Im Vergleich mit dieser Gruppe