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0053 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 53 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Wo die Urkunden versagen, muß versucht werden, die Stoffe selbst zum reden zu bringen. Es gibt einige byzantinische und sarazenische Gewebe, die mit lesbaren Inschriften historischen Inhalts versehen sind. Sie gehören zu den zuverlässigsten Zeugnissen, die wir besitzen; nur sind sie so vereinzelt, daß jedes bloß einen kleinen Umkreis erhellen kann. Für die große Masse der Denkmäler ist man auf die Untersuchung der Ornamentik ange, wiesen. Auch die Webetechnik, die Art der Bindung und Rohstoffe, gewährt manche Auf, schlüsse, aber doch weniger, als man nach der Analogie anderer Kunstzweige, etwa der Ke; ramik oder des Schmelzwerks erwarten sollte. Es fehlt nicht an technischen Merkmalen, die wie der platte Ledergoldfaden der Chinesen oder die grobe Leinenkette der Regens: burger Stoffe zur Ursprungsbestimmung verhelfen. Aber im ganzen ist aus der technischen Untersuchung nicht viel historische Belehrung zu holen, weil offenbar in einem und dem: selben Betriebsort gleichzeitig Stoffe von sehr verschiedener Technik je nach dem Preis, dem Gebrauchszweck und dem Geschmack verschiedener Abnehmerkreise gewebt worden sind. Dafür läßt sich ein ganz einwandfreies Zeugnis schon aus ziemlich früher Zeit anführen. I lugo Falcandus berichtet in seiner Geschichte Siziliens um 1190, daß in den Palastwerk: stätten von Palermo Seidenstoffe verschiedener Bindung, Amita, Dimita, Trimita von ge: ringerer Qualität, ferner Heximita von reicherem Materialaufwand gewebt wurden. Er zählt ferner den feuerroten Diarrhodon, den grünen Diapistus, die mit Kreisen kunstvoll ge: musterten und daher teuren Exarentasmata auf. Also eine recht ansehnliche Reihe nicht nur in Farben und Mustern, sondern auch in der Textur verschiedener Stoffarten in einer Werkstatt.

Es bleiben somit als die brauchbarsten Hilfsmittel zur Kunstgeschichte der Seiden: weberei die Muster übrig. Auch dabei stößt man auf besondere Schwierigkeiten.

Bei den Werken anderer Kunstzweige läßt sich die Zeit, zum mindesten das Jahr: hundert in der Regel zweifelsfrei bestimmen, sofern Ornamente vorhanden sind; auch fehlt es selten an ausreichenden Merkmalen, um die Heimat zu finden. Bei der Weberei ist schon die Größe des Erzeugungsgebietes, das über die Kulturen Ostasiens, des Islam und der Christenheit sich erstreckt, eine Ursache der Unzulänglichkeit. Denn die zeitliche Entwick= lung der chinesischen Seidenornamentik, die sowohl die vorderasiatischen wie die italieni: schen Muster befruchtet hat, liegt vollständig im Dunkel. Und es scheint nicht, daß für unser Gebiet vom Osten her noch wesentliche Aufklärung zu erwarten wäre.

Für die muslimische Weberei sind, obwohl die Kunstgeschichte des Islam noch in den Kinderschuhen steht, doch schon festere Grundlagen geschaffen. Die Unterschiede einer ostmuslimischen und einer westsarazenischen Stilrichtung werden erkennbar und die natio, nalen Merkmale der iranischen, magrebinisch :andalusischen und osmanischen Kunst bringen eine weitere Gliederung in dieses weitumfassende Kulturgebiet. Die für andere Kunstzweige gewonnenen Kenntnisse sind auch für die Bestimmung der muslimischen Sei: denstoffe verwertbar. Denn im Islam halten die Webemuster enge Fühlung mit der allge: meinen Ornamentik, weil die ganze muslimische Kunst vornehmlich mit Flachornamenten arbeitet. Das gilt auch für die Baukunst; hier wird die Verwandtschaft mit dem Weber: ornament sogar besonders augenfällig, wenn der Bauschmuck aus Fliesen oder Stuckarbeit sich der „Rapportmusterung" aus regelmäßig wiederholten Motiven bedient, an welche die Weberei aus technischen Gründen gebunden ist. Unter den Werken der Töpferei, den Elfen: beinschnitzereien, Metallgeräten, Gläsern, Teppichen sind daher manche datierten Denk: mäler zu finden, die der Untersuchung orientalischer Seidenstoffe auf den richtigen Weg helfen.

Bei den Geweben des christlichen Abendlands muß man ohne diese nützlichen Vers gleichsmittel sich zurechtfinden. In Europa ist der Zusammenhang der Seidenmuster mit dem allgemeinen Zeitornament viel lockerer als im Orient. Das christliche Kunstgewerbe

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