National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0068 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 68 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

sind. Die Tatsache, daß auf Papyrus gemalte Vorlagen oder Musterbücher für die Wirkerei vorhanden waren,') trägt zur Lösung der Frage nicht bei. Wahrscheinlich haben beide Be, triebsformen nebeneinander bestanden und manches, was uns als jüngere Entartung eines älteren Motivs erscheint, kann die unbeholfene häusliche Nachbildung einer vollendeteren Arbeit der Berufswirkerei sein.

Die Untersuchung des Stils der Wirkereien erbringt für die Koptentheorie jedenfalls keine Stütze. Wäre sie richtig, so müßte man in der Ornamentik zunächst Spuren der na: tionalägyptischen, bis weit in die römische Kaiserzeit nachlebenden Kunstformen erwarten und ein Vorherrschen christlicher Elemente. Vielleicht sogar angesichts des Gegensatzes der in dogmatischem Gezänk befangenen Kopten zum Griechentum, eine Vermeidung aus: gesprochen heidnisch griechischer Motive. Aber nichts davon ist zu finden. Ägyptische Formen fehlen in der ganzen Wirkornamentik fast vollständig und die christlichen Darstel: lungen kommen erst spät und spärlich zum Vorschein. Statt wirklicher Merkmale eines koptischen Stils sieht man, daß die Wirkerei über die Zeit der amtlichen Unterdrückung des Heidentums hinaus,2) mindestens noch im 6. Jahrhundert, ganz überwiegend im Zeichen der hellenistischen Überlieferung gestanden hat.

A. Hellenistische Wirkereien.

Obwohl der Formenreichtum der Wirkereien recht beträchtlich ist, verteilt sich doch der größte Teil des Bestandes auf wenige Stilgruppen. Am Anfang steht naturgemäß die Gattung, die in ihren Motiven und in der Schönheit der Zeichnung die Erinnerung an die griechisch römische Antike noch am reinsten gewahrt hat. Ihre besten Vertreter sind quaci: ratische Einsatzstücke, deren Fläche zumeist in einen Mittelkreis und vier kleinere Kreisfelder in den Ecken aufgeteilt ist. Den Außenrand umziehen kleine Bogen oder jene antike Weh lenreihe, die der laufende Hund genannt wird. Die großen Kreise enthalten einzelne Reiter, Kentauren, kämpfende Paare, Nereiden und Tritonen;') die durch ein umlaufendes Band verbundenen Eckfelder Amoretten, häufig in kniender Stellung und in lebhaft bewegten Wendungen. Fast immer sind die Figuren nackt bis auf die hinter dem Rücken hochflie: gende Chlamys, oft mit Rundschild oder Lanze bewehrt. In die Zwickelfelder sind Löwen, Hunde, Hasen, Böcke, Panther oder auch Fruchtkörbe und Blütenstauden eingefügt (Abb. 12 u. 13). Die strenge Symmetrie, welche die altorientalische Ornamentik pflegte und die später die Seidenweberei aus technischen Gründen wieder aufnahm, ist hier gänzlich vermieden; an ihrer Stelle herrscht das freie Gleichmaß des antiken Geschmacks. Die Bilder stehen auf dem hellen Leinengrund einfarbig in tiefem Indigoblau oder dunklem Violett, seltener Braunrot, mit weißer Innenzeichnung, deren feinere Linien mit „fliegender Nadel" in zarten, über die Fläche springenden Fäden eingewirkt sind. Die Einfarbigkeit, an der die spätantike Wir: kerei lange festhielt, bis der Einfluß der Seidenweberei die buntgewirkten Besätze mit christ: lichen Bildern ins Leben rief, hebt die Zeichnung vornehm und klar hervor. Doch ist die Vielfarbigkeit nicht immer ein Beweis für spätere Entstehung; auch hei den blauvioletten Arbeiten besten Stils sind zuweilen die flatternden Mäntel, Blüten und Fruchtkörbe in leb: haften Farben, hellrot, grün, gelb und blau eingewirkt (Abb. 14). Dadurch berührt sich diese antikisierende Gattung noch mit einer selteneren und offenbar älteren Gruppe von Bildwirkereien großen Maßstabs, die der Malerei der römischen Kaiserzeit am nächsten

') Fragmente von solchen in der Papyrussammlung der K. Museen in Berlin, s. Amtliche Berichte XXX, 1909, Abb. 177-181.

) Unter Kaiser Justinian (527-565) wurden in Alexandria alle heidnischen Schulen aufgehoben, nachdem schon unter Theodosius (379-395) das Heidentum scharf bedrängt worden war.

") Vgl. Errera, Katalog der Stoffsammlung in Brüssel, fig. 1 v; Forrer, Gräberfunde von Achmim= Panopolis III, 5.

16