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0072 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 72 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Es ist möglich, daß von den vorwiegend

figürlichen Wirkereien antiken Inhalts die best. gezeichneten, ähnlich den Abbildungen 12-14, noch in das 5. Jahrhundert zurückreichen; die Mehrzahl ist aber erst im 6. Jahrhundert oder wenig später entstanden. In der weiteren Entwick. lung verschwindet die Einteilung der Quadrate in fünf Kreise; das Mittelfeld wird von kleinen, nebeneinander gereihten oder an den Berührungs- punkten verschlungenen Kreisen umstellt, die zu. meist Tiere oder Pflanzen enthalten (Abb. 16 und 17). Oder Akanthusranken, die schon in der ersten Gruppe auftreten, umrahmen das Mittelfeld, Tiere und Früchte in den Ausbuchtungen ein. schließend (Abb. 18).1) Kennzeichen der späteren Entstehung— etwa um 600— sind der Niedergang des zeichnerischen Könnens und die Verdrängung

der Figuren durch das Ornament. Die menschliche Gestalt wird immer formloser und seltener, die Linienführung unbeholfen; die Kreise und Wellenranken werden eckig und schwunglos.2) Es ist schwer festzustellen, wie lange die Wirkerei in dieser Form fortgelebt haben mag; wahrscheinlich hat sie die antikisierenden Elemente entartet und barbarisiert noch in die Frühzeit des Islam hinübergetragen. Denn ihr häufigstes Rahmenmotiv, die hintereinander herlaufenden Tiere, Löwen, Hunde, Hasen, erscheint später in den west. islamischen Seidenstoffen Ägyptens, von der Fatimidenzeit bis zu den Mamluken, auch in Elfenbeinschnitzereien in so auffallend ähnlicher Gestalt, daß der Gedanke an einen Zu• sammenhang mit den Ausläufern der hellenistischen Wirkerei sich aufdrängt.

Jedenfalls ist das 6. Jahrhundert noch zur Blütezeit der Wirkerei antiker Tradition zu rechnen. Zu ihren vornehmsten Schöpfungen rein ornamentalen Inhalts zählen die durchs weg einfarbig violett oder dunkelblau auf weiß gewirkten Besätze in der Form großer Blätter mit weißer Innenzeichnung oder von Quadraten, Rauten und achtspitzigen Stern= feldern (überkreuzten Quadraten), die hauptsächlich mit kunstvollen Bandgeflechten ge. füllt sind (Abb. 19, 20, 21). Beide Arten, die großen Blätter und die Flechtwerkfelder ge. hören augenscheinlich zeitlich und örtlich eng zusammen, denn es gibt einerseits Blattfelder mit Flechtfüllung3) und andrerseits Quadrate und Sterne, die neben dem Bandgeflecht auch die typischen Blattornamente enthalten.') Diese Gattung ist von Cox und anderen als der den Kopten eigentümlichste Bestandteil der ganzen Wirkornamentik, als ihre ureigene Schöpfung erklärt worden, obwohl kein Zweifel darüber bestehen kann, daß das Haupt- element, die Bandverflechtungen, von der spätantiken und frühmittelalterlichen Kunst im ganzen Bereich der ost, und weströmischen Kultur mit Vorliebe verwendet worden ist. In einer den ägyptischen Wirkereien auffallend ähnlichen Gestalt tritt das Bandgeflecht oft und oft in spätrömischen Mosaikfußböden aufs) ' Die Verwandtschaft beruht wohl darauf, daß

  1. Die klassische Form dieses Motivs auf einer pompejanischen Wandmalerei abgeb. Heiden, Textil= kunst fig. 138.

  2. Die Degeneration ist in der umfangreichen Wirkereisammlung des Kaiser Friedrich Museums schritt= weise zu verfolgen; vgl. auch Gerspach fig. 2, 3, 6, 7.

  3. Gerspach, fig. 16.

  4. Vgl. Abb. 19; Gerspach, fig. 17, 20, 22; Riegl, T. 11.

  5. Beispiele bei de Rossi, Musaici cristiani di Roma: Pavimente aus der Basilica Liberiana, dem der Kirche S. Maria Maggiore vorausgehenden Bau des 4. Jahrhunderts; ferner bei Wilmowsky, Römische Mo= saiken aus Trier T. 1, 2, 3, 8; Originalmosaiken im Thermenmuseum zu Rom.

Abb. 22. Mosaikboden im Theoderichpalast,

Ravenna um 500.

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