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0095 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 95 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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eine rein griechische, eine griechisch=ägyptische und eine griechisch=persische Richtung unter, scheiden. Es läßt sich aber nicht behaupten, daß diese Richtungen in zeitlicher Folge sich abgelöst hätten; vielmehr scheint es, daß zum mindesten die Muster mit ägyptischem und mit persischem Einschlag im 6. Jahrhundert gleichzeitig neben einander hergingen und es ist anzunehmen, daß auch der einfachere griechische Geschmack damals noch nicht ganz verdrängt war.

Der griechische Stil.

Am Anfang der Entwicklung stehen als die ältesten Zeugen der Seidenweberei die Stoffe mit Streurnustern und Rautenmustern, in denen fast unverändert der griechische Ge, webestil klassischer Zeit fortlebt, wie ihn die Gewandmuster auf attischen Vasen des 5. und 4. Jahrhunderts vor Chr. darstellen. Hier wie dort herrscht die Rautenordnung vor, das heißt die Einzelelemente der Muster sind offen und lose oder in geschlossenen Bändern zu schräg sich kreuzenden Reihen zusammengestellt, welche Rautenfelder mit größeren Mittel, motiven einschließen. Auch die Kreuzungsstellen sind in der Regel durch größere Bildungen betont (Tafel 1 c, Abb. 32, 33, 34, 35, 36). Die einzelnen Motive sind sehr vielgestaltig; am häufigsten erscheinen als Glieder der Schrägreihen Hakenkreuze, Mondsicheln, Herzen, Kreuze, Quadrate, Rechtecke und Kreise mit Sternfüllung, dazu die vegetabilen Formen der Rosetten, Palmetten und Blätter. Die letzteren sind mannigfaltig wie breite Lanzenspitzen gestaltet,') als gestielte Herzen, dreiteilige Kleeblätter oder Epheulaub; auch vom Akanthus abgeleitete Formen kommen vor (vgl. Abb. 85). Die Rosette dagegen wird fast durchweg gleichmäßig aus vier ins Kreuz gestellten, rein herzförmigen Blättern gebildet. In den ge, schlossenen Formen der Palmette (vgl. Abb. 37) verrät sich stärker die spätantike Entstehung; nur an einem einzigen Fragment in Sens ist noch die klassische Palmette aus sieben frei auf, steigenden Blättern nachzuweisen.2) Für die Farbenwahl besteht keine feste Regel, nur ist zu bemerken, daß die stilistisch ältesten Stoffe häufig die schlichte Zweifarbigkeit zeigen, weißes Muster auf stahlblauem oder rotem Grund, oder sandfarbig auf braun. Die graeco, ägyptische Stilrichtung des 5. und 6. Jahrhunderts dagegen bevorzugt mehr die starken viel, farbigen Wirkungen, wie sie auf Tafel 2 zu sehen sind.

An eine spontane Neubildung dieser Streumuster beim Aufkommen der Seidenweberei ist nicht zu denken; die Verwandtschaft mit den altgriechischen Webemustern beruht ja nicht bloß auf der allgemeinen Rautenordnung aus offenen und geschlossenen Schrägreihen, sondern ebenso auf der Wiederkehr derselben klassischen Einzelformen, der Vierblattro, setten, Quadrate, Hakenkreuze und dergleichen.') Das Wiederauftauchen der vorwiegend geometrischen und wegen ihrer besonderen Eignung für die Webetechnik langlebigen Dia, gonal, und Streumuster ist nur so zu erklären, daß das griechische Textilgewerbe die in der Wollweberei überlieferten und altgewohnten Muster beim Zuströmen des neuen chinesi,

') Diese Blattform lebt im byzantinischen Flachornament noch lange fort; sie ist als Gewandmuster auf Goldschmelzplatten der Pala d'oro in Venedig, Venturi Storia I Fig. 474, in der Il:andschrift des Nike= phoros Botaniates uni 1090 und anderwärts oft verwendet.

2) Abgeb. Revue de l'art chretien, Band 61 S. 275.

') Das Hakenkreuz ist in diesen Antinoestoffen wie in den altgriechischen Webemustern noch rein ornamental, gleichwertig in einer Reihe wechselnd mit Herzen, Mondsicheln, Kreuzen, Scheiben verwendet (vgl. Revue de l'art chretien, Band 61 S. 277), hat also hier nicht mehr symbolische Bedeutung, als die anderen inhaltlich belanglosen Musterelemente auch, das heißt gar keine. Wenn es auf ägyptischen Grabtüchern des 6. Jahrhunderts gewirkt als Einzelmotiv in großem Maßstab erscheint, ist zwar an seiner Bedeutung als christ, liches Abzeichen nicht zu zweifeln, ebensowenig aber an seiner direkten Abkunft aus dem Webeornament des griechischen Altertums. Damit fällt eine der wenigen sichtbaren Stützen der von M. Dreger in „Kunst und Kunsthandwerk" 1906, S. 204 behaupteten buddhistischen Einflüsse auf die spätantike Textilkunst. Solche Einflüsse waren nicht vorhanden; das Verhältnis zwischen West und Ost war damals noch umgekehrt: Der Hellenismus war der Geber, der Buddhismus und durch ihn der ferne Osten der empfangende Teil.

F a Ike, Seidenweberei.

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