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0096 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 96 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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schen Rohstoffs beibehielt und fortführte. Einen Stilwechsel hat die Seide nicht von vorn: herein und sofort herbeigeführt, nur eine allmähliche Veränderung des schon Vorhandenen insofern, als das zarte Gespinst aus China eine viel feinere Zeichnung und daher im weiteren Verlauf ein Aufsteigen zu reicheren Ornamenten ermöglichte, als der vergleichsweis rauhe Wollfaden sie zugelassen hatte.

Das gänzliche Fehlen chinesischer Einflüsse nicht nur in den rein griechischen Strew mustern, sondern weiterhin in der spätantiken Textilkunst überhaupt, ist nicht verwundert lich. Wenn gemusterte Stoffe aus China in das römischtgriechische Kulturgebiet gelangt sind, was nirgends überliefert, aber wohl möglich ist, so begegneten sie doch während der ersten sechs Jahrhunderte nach Chr. noch einer selbstbewußten und in sich gefestigten spät: antiken Kunst, die zur Aufnahme so fremdartiger Elemente, wie China sie vermutlich dar; bot, nicht empfänglich war. Es lohnt sich kaum, dieser Frage nachzugehen, denn so lange uns von rein chinesischen Textilmustern spätantiker Zeit gar nichts bekannt ist, bleibt das Bemühen ziemlich hoffnungslos, ihre Spuren im griechischen Webeornament aufzufinden.')

Für die Entstehungszeit der Streumusterstoffe gibt die Gründung der Hadriansstadt im 2. Jahrhundert die unterste Grenze, soweit die Stoffe in Antinoe selbst gewebt worden sind. Bei den daselbst gefundenen Stücken und auch bei mehreren in Sens ist letzteres als sicher anzunehmen, denn sie hängen durch mancherlei Einzelheiten des Ornaments mit den jüngeren nachweislich antinoischen Seidengeweben der griechischtägyptischen Richtung augenscheint lich eng zusammen. Ich werde darauf noch zurückkommen. Es ist jedoch nicht wahrscheint lich, daß dieser Stil auf Antinoe beschränkt war; die frühen Strew und Rautenmuster haben keinen örtlichen, sondern einen allgemein griechischen Charakter und sie werden ungefähr ebenso in Alexandria, Karthago, in Syrien und Byzanz gemacht worden sein und wo sonst noch die hellenistische Buntweberei in Betrieb stand.2) Leider haben wir keine Anhalts: punkte, um syrische Stoffe, die doch einen beträchtlichen Teil der antiken Seidenerzeugung ausgemacht haben müssen, als solche zu erkennen. Da aber die hellenisierten Industrie: und Handelsstädte von Syrien und Ägypten ein ziemlich gleichartiges Kulturgebiet bildeten, in dem die nationalen Unterschichten der eingeborenen Bevölkerung nur wenig mitsprachen, sind einschneidende Stilunterschiede in ihren ältesten Seidengeweben nicht vorauszusetzen. In Ägypten sind Streumuster und Diagonalmuster der vorgeführten Art vereinzelt auch außerhalb Antinoes zu Tag gekommen und gewisse Qualitätsunterschiede lassen auf vert schiedene Betriebsorte schließen.?) Ebenso sind im byzantinischen Kunstkreis ähnliche Webemuster durch Buchmalereien und Mosaikbilder nachzuweisen: ein Gewölbemosaik im erzbischöflichen Palast zu Ravenna (Capella S. Pietro Crisologo) aus der ersten Hälfte des

') Strzygowski hat im Jahrbuch der preuß. Kunstsammlungen 1903 S. 175 in einem Aufsatz „Seiden, stoffe aus Ägypten; Wechselwirkungen zwischen China, Persien und Syrien in spätantiker Zeit" bei der Be, sprechung eines daselbst fig. 16 abgebildeten ägyptischen Seidenstoffes, der unseren beiden Abbildungen 34 und 65 sehr ähnlich, nur etwas gröber ist, die Meinung ausgesprochen, daß diese Rautenmuster von China herstammen. Als Beweis zeigt er fig. 18 eine mit linearem Netzmuster überzogene Bronzevase aus dem Poku- tulu, dem bekannten im 12. Jahrh. nach Chr. zusammengestellten Katalog chinesischer Sakralbronzen. Wenn man nun die Wahl hat, die Rautenmuster spätgriechischer Stoffe entweder von sehr gleichartigen griechischen Webemustern klassischer Zeit abzuleiten, oder aber von chinesischen Bronzen der Shangdynastie, das heißt aus dem 2. Jahrtausend vor Chr., oder sie gar aus dem trüben Gewässer der „Kunst des Stillen Ozeans" herauszu= fischen, so kann die richtige Entscheidung einem unbefangenen Gemüt nicht schwer fallen. Rautennetze an sich sind ein Allerweltsmotiv und wenn man aus dem Gebiet der Webeornamentik herausgeht, kann man sie an vielen Stellen nachweisen, die mit den antiken Stoffen sich ebensowenig berühren, wie die chinesischen Shangbronzen.

2) Beiläufig sei erwähnt, daß viele Einzelmotive dieser Streumuster sehr ähnlich auch im Formenschatz der weströmischen, sogenannten aretinischen Rotgeschirre vorkommen.

Hierher gehören die Stoffe des German. Museums, Hampe Gewebekatalog fig. 8, 9, 10, 12, 13 und Jahrbuch der preuß. Kunstsammlungen 1903 fig. 16 u. 17.

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