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0100 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 100 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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40, 42, 43, 44, 45). Aber noch besteht ein großer Unterschied von den Tiermustern der Folgezeit: In den Antinoestoffen werden die Muster keineswegs von den Tierpaaren be herrscht, sondern diese sind nur als gleichwertiges Element neben den geometrischen und vegetabilen Bildungen oder auch als ein untergeordneter Bestandteil des Ganzen vom Muster zeichner verwertet. Man kann den Verlauf der Entwicklung deutlich übersehen, wie die Weberei von den einfachen Streumustern aus geometrischen Formen aufsteigt zu den kunst volleren und schwieriger zu webenden vegetabilen Zeichnungen und wie sie dann, im Voll: besitz einer allen Schwierigkeiten gewachsenen Technik und einer reichen Farbenwahl, auch die Tierbilder zu immer erhöhten Wirkungen heranzieht. In diesem Stadium entfaltet die Seidenkunst von Antinoe eine so reiche Erfindung, daß ihr nur die italienischen Stoffe der Frühgotik an die Seite zu stellen sind. Die Ursachen waren hier wie dort ähnlich: Wenn in Italien die freie Verwertung chinesischer und persischer Formen durch die kunstgeübten Zeichner von Lucca und Venedig den bewundernswerten Reichtum gotischer Seidenmuster herbeiführte, so war es in Antinoe die Benützung ägyptischer und persischer Ornamente durch die griechischen Weber, die gleich phantasievolle Schöpfungen hervorbrachte. Die vier farbigen Muster auf Tafel 2, die Abb. 40,'41, 42, 43, 44, 45 geben eine kennzeichnende, obschon unvollständige Auswahl dieser seltsamen Verbindungen von stilisierten Pflanzen, Tieren, Köpfen und geometrischen Figuren.

Der griechisch.aegyptische Stil.

Wichtig ist es vor allem, den nationalägyptischen Einschlag festzustellen, denn ob stark oder gering, er beweist jedenfalls die Entstehung der ganzen Gattung im Nilland. Hierfür ist die Auswahl der Tierbilder zu beachten. Die Löwen und Delphine (Abb. 40), Pfauen (Abb. 43) und Enten (Abb. 38, 42), Hasen und gefleckten Panther (T. 1 a, T. 2a)') sind für die Herkunftsbestimmung belanglos, da sie dem allgemein spätantiken Formenschatz angehören. Die afrikanische Tierwelt vertreten dagegen das Zebra, auf T. 2d (Abb. 44) ganz naturtreu mit der kurzen hochstehenden Mähne dargestellt und ebenso gut gezeichnet der Ibis (T. 2c = Abb. 45), in Agypten als Verkünder der steigenden Nilflut geheiligt. Auch Straußenpaare sind in Sense) und Aachen erhalten und ein schöner Antinoestoff in Lyon (Inventar 142) von dem Zeichner des Ibisstoffes auf Tafel 2c, zeigt unter einer baumartig langgestielten Palmette afrikanische Buckelochsen. Die Darstellung dieser Tiere verrät das lebendige Naturgefühl eines griechischen Zeichners; sie ist sehr verschieden von der starren, harten Stilisierung der persischen Tiermuster. Doch war bei den Griechen der Hadriansstadt, die den Antinous in der Gestalt eines altägyptischen Gottes verehrte3), die Erinnerung an die Kunst der Pharaonen nicht ganz erloschen. Ein gewirkter Clavus in Lyon zeigt die Uräus schlangen und auf unserem Ibismuster T. 2c (Abb. 45) ist die altägyptische Form der großen Fächerpalmette sofort zu erkennen. Sie läßt sich sogar in der Textilkunst der Pharaonen nachweisen: das Grabgewand Amenophis II (1447-1420 vor Chr.) im Museum zu Kairo') ist mit gleichgeformten Palmetten in Wirkerei auf Leinen verziert.

') Die Beschreibung des Stoffes T. 2a ist zu berichtigen. Der Stoff gehört nicht, wie auf der Tafel angegeben, in das 9. oder 10. Jahrhundert, sondern mit den übrigen Antinoestoffen in das 6. Jahrhundert. Die Panther sind gleichen Stils wie diejenigen auf T. 1 a, kennzeichnend besonders die Augen mit stark be tonter Pupille und Augenwinkel, wie auf dem Zebrastoff T. 2d (Abb. 44). Typisch für Antinoe ist ferner die Einordnung der Tiere in ungerahmte Scheiben; die Palmetten finden ihre Analogie auf Abb. 37, aus dem frühen 6. Jahrhundert. Die Frucht zwischen den Panthern ist zu sehen auf Abb. 40 im unteren Rand. Auch die Faibenwahl ist typisch für Antinoe und das 6. Jahrhundert. Ein Nachleben solcher spätgriechischen Muster bis in das fatimidische Agypten des 10. Jahrhunderts, in dem schon die muslimische Kunst sich kräftig regte, ist undenkbar und entbehrt jeder Analogie.

  1. Abgeb. Revue de l'art chret. B. 61 S. 270.

  2. Erman, Die ägyptische Religion S. 263.

  3. Photogr. des S. Kens. Mus. Nr. 25 826.

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