国立情報学研究所 - ディジタル・シルクロード・プロジェクト
『東洋文庫所蔵』貴重書デジタルアーカイブ

> > > >
カラー New!IIIFカラー高解像度 白黒高解像度 PDF   日本語 English
0105 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
絹織物の美術史 : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / 105 ページ(カラー画像)

New!引用情報

doi: 10.20676/00000240
引用形式選択: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR読み取り結果

 

Dann gibt es in den Antinoestoffen merkwürdige Gebilde, für die weder im spätantiken noch im sassanidischen Ornament irgendwelche Analogien zu finden sind. Hierher gehören die stilisierten Masken in Profil: und Frontansicht mit seltsamen Kopfbedeckungen, die paarweis zusammengestellten Tierköpfe und die nebeneinander gereihten Rechtecke von verschiedener Länge (T. 2b und Abb. 41). Für die dreiteiligen Kolben mit Halbmond: endigung fehlt mir jede sachliche Erklärung; manches aber, insbesondere die Masken, die Rechteckreihen und die unter dem Hals abgeschnittenen Tierköpfe, ist am ehesten als später Nachklang altägyptischer Zierformen, wie sie die Baukunst und Wandmalerei der Pharaonen und Ptolemäerzeit überliefert haben, zu deuten.') In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, daß die lebhafte Farbigkeit der Antinoeseiden des 6. Jahrhunderts, welche die Muster in rot, gelb, grün, schwarz, weiß, braun und hellblau auf dunkelblauen oder roten Grund stellt, mit den Deckenmalereien ägyptischer Grabkammern auffällig übereinstimmt. Man kann im Auftauchen nationalägyptischer Formen eine Äußerung der Reaktion des alteinheimischen Volkes in den hellenisierten Orientprovinzen des Römerreichs gegen das Griechentum sehen, eine der Regungen des lang zurückgedämmten Eingeborenenelements, von denen die mit dem Niedergang der Antike immer dünner und fadenscheiniger gewor: dene Decke hellenistischer Kultur durchstoßen wird.

Mag es unentschieden bleiben, ob die letzterwähnten Zierformen altägyptische Erin, nerungen oder reine Neubildungen des 6. Jahrhunderts vorstellen, so genügen doch die Tierbilder aus der afrikanischen Fauna und die augenfällig ägyptischen Palmetten, um für die ganze Gruppe der Antinoeseiden jeden Gedanken an außerägyptische Entstehung, etwa an syrische Einfuhr, auszuschließen. Es ist sogar sicher, daß sie in Antinoe selbst gemacht worden sind.

Abgesehen von den Stoffen in Sens und Aachen ist der ganze Bestand bis auf wenig Stücke unbekannter I lerkunft in Antinoe ausgegraben worden. Und dieser Bestand bildet sowohl stilistisch wie nach der Qualität der Gewebe ein fest zusammenhängendes, unteil: bares Ganzes. Von den einfachen Mustern der Frühzeit bis zu den reichsten Bildungen des 6. Jahrhunderts werden einzelne typische Ornamente immer wiederholt und weitergeführt. Im 6. Jahrhundert ist die innere Verwandtschaft aller Antinoestoffe untereinander so groß, daß eine gemeinsame Werkstatt oder Musterzeichnerei vorausgesetzt werden könnte. Hätte dieser Betrieb in Alexandria oder einem anderen Ort Ägyptens bestanden, so müßten seine Erzeugnisse ebensowohl in Achmim oder im Fayum und den übrigen Nekropolen dieser Zeit gefunden worden sein.

Den stärksten Beweis für Antinoe liefert schließlich die Wirkerei. Nur in Antinoe sind Wirkarbeiten gefunden worden, welche viele Merkmale der dortigen Seidenstoffe, die geometrischen Streumuster, die dreifarbigen Herzen als Grundfüllung (wie auf T. 2 d, Abb. 44), die Brustbilder in Kreisen (wie Abb. 40), die Masken und Profilköpfe entlehnen und auch in den Farben dem gleichen Geschmack huldigen.) Diese Obereinstimmung würde für sich allein vollständig genügen, um die Ortsansässigkeit der antinoischen Textilkunst, der Seiden: weberei wie der Buntwirkerei, außer Frage zu stellen. Daß das Seidengewerbe von Antinoe in den Schriftquellen nicht erwähnt wird, ist nicht entscheidend, weil es überhaupt nur ganz spärliche und lückenhafte Angaben über die alten Weberorte gibt. Auch ist zu vermuten, daß die Stoffe aus Antinoe sich für den überseeischen Abnehmer unter dem Sammelnamen

') Eine von Prisse d'Avennes, L'art égyptien veröffentlichte ornamentale Deckenmalerei pharaonischer Zeit ist auf einem Antinoestoff in Lyon, von dem ich keine Abbildung beibringen kann, fast unverändert wiederholt.

2) Die Profilmaske des Seidenstoffes Abb. 41 ist identisch mit dem Kopf der Amazone auf der vor: her beschriebenen antinoischen Bildwirkerei in Lyon, die einen Sassanidenkönig und einen Amazonen' kampf darstellt.

37