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0133 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 133 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Von sicheren Arbeiten der Werkstatt des Verkündigungsstoffes sind (außer dem be reits erwähnten Fragment eines ornamentalen Rautenstoffes in Berlin) nur einige viereckige Stoffabschnitte bekannt, die als Tunikabesätze in Ägypten gefunden wurden. Zwei besitzt das South Kensington Museum, je eines die Berliner und die Düsseldorfer Stoffsammlung. Sie sind alle so verrieben und zerschlissen, daß sie sich der Abbildung entziehen. Jedes Stück gibt ein Kreisfeld mit je einem Reiter in kurzer Tunika und flatternder Chlamys auf springendem Roß. Einer stößt seine lange Lanze einem unter dem Pferd rennenden Löwen in den Nacken; der andere entsendet rückwärts gewendet einen Pfeil nach abwärts, wo ein Löwe zusammengekauert liegt'). Die Bewegung des ersteren entspricht ungefähr dem Doppelreiterstoff der Cölner Ursulakirche (vgl. T. 9 b), die des zweiten den Bogenschützen in Maastricht (vgl. T. 10 a, Abb. 73). Nur ist die Zeichnung der Tunikabesätze unvergleichlich besser; am nächsten kommt ihnen das Bruchstück eines Amazonenstoffes auf Tafel 7 b, das ebenfalls nur eine einzelne Reiterfigur im Kreisfeld enthielt. Die ornamentale Bildeinfassung des Verkündigungsstoffes kehrt auf den Reiterstoffen identisch wieder; die Kreise sind außen und innen von einer bunten Astragalschnur eingefaßt, an den vier Achsen mit den Nach barkreisen verschlungen; die Zwickelpalmetten und das Blumenornament gleichen sich vollkommen. Demgemäß sind die Reiterstoffe in London, Berlin und Düsseldorf unbe: denklich der Werkstatt des Verkündigungsstoffes und der ersten Hälfte des 6. Jahrh. zuzu: weisen, das Amazonenfragment T. 7b desgleichen. Auch das Aachener Seidenfragment T. 7a (ein Stück davon im Clunymuseum) mit Löwenkämpfern zu Fuß in antiker Rüstung oder Gladiatorentracht steht qualitativ den frühen Alexandriastoffen noch nahe, obwohl die mit einer Wellenranke verbundenen Herzblüten und Knospen hier etwas verkümmert sind. Die kunstvolle Verschlingung der Kreisbänder ist schon durch die über die Berührungs; stellen gelegten Scheiben ersetzt. Mit diesem Gewebe tritt zum erstenmal in der alexan drinischen Gruppe die Spiegelbildverdopplung der Figuren, der „symmetrische Musterumo schlag" auf.

Es braucht kaum erwähnt zu werden, daß die gleichzeitige Verwendung christlicher und heidnisch weltlicher Motive in einer Werkstatt zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches ist. Ein Beispiel aus dem Textilgebiete geben die gefärbten Leinenvorhänge oder Grabtücher aus Achmim, welche Bilder des alten und neuen Testaments 2), im Hauptstück der Gattung aber (im Guimetmuseum) die Geburt und Erziehung des Dionysos darstellen.

Ob der Säkkinger Amazonenstoff (T. 8 = Abb. 70)2) noch als Spätling der Werkstatt des Verkündigungsstoffes anzusehen ist oder vielleicht als Arbeit eines davon abhängigen Webers von schwächerem Können, ist schwer zu entscheiden. Die Kreisborte zwischen den Astragalschnüren gibt zwar das alte Muster nur wenig vereinfacht (weil der Maßstab etwas kleiner ist), aber die Figurenzeichnung ist merklich verschlechtert; auch das gelbe Rauten, muster im grünen Zwickelgrund scheint durch Webefehler mißglückt. Die gegenständigen

') Der kauernde Löwe findet sich in derselben lebensvollen und gut beobachteten Stellung bereits auf dem „lykischen" Sarkophag aus Sidon, einer griechischen Arbeit des 3. vorchristlichen Jahrhunderts; s. Collig, non, Hist. de la sculpture grecque II, fig. 211. — Die beiden Stoffabschnitte in Berlin und Düsseldorf sind mit den Stücken im South Kensington Museum identisch. Ein dritter Stoff derselben Art mit Einzelreitern in Kreisen ruht ferner im Madelbertaschrein der Lütticher Kathedrale; davon ist mir nur eine farbige Aufnahme in der Berliner Stoffsammlung bekannt.

9) Zum Teil veröffentlicht von Strzygowski, Orient oder Rom T. 4-7.

') Der Stoff wurde in der Stiftskirche zu Säkkingen als Gewand oder richtiger als Grabtuch des Orts: heiligen Fridolin, der im 6. Jahrh. als Apostel des Oberrheins wirkte, bewahrt. Erst im späten 19. Jahrh. ist das bis dahin wohlerhaltene kostbare Gewebe sinnlos und mutwillig in kleine Lappen zerschnitten worden, die man als Zierat auf neue Kirchengewänder vernähte. Einige Abschnitte sind in die Berliner Stoffsamm= lung und in das Landesmuseum zu Zürich gerettet worden. Vgl. Kraus, Kunstdenkmäler des Kreises Walds- hut S. 56.

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