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0134 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 134 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Bogenschützen , in starkem Mißverhältnis zu den kleinen Pferden, sind durch die einseitig entblößte Brust und die phrygischen Mützen, wohl auch durch die stark betonte Rundung der Waden deutlich als Amazonen bezeichnet. Die weibliche Bildung der entblößten Brust ist auf der zweifarbigen Achmimer Nachbildung eines solchen Musters auf Tafel 10b noch besser zu erkennen. Die phrygische Mütze kennzeichnet noch in der Spätantike die orien: talische Tracht,') obwohl sie im nachachaemenidischen Persien nicht mehr nachweisbar ist. Die Amazonen galten nach ständiger antiker Überlieferung als Orientalen; daher auch hier die gefleckte Musterung ihres engen Chitons und der hochauffliegenden Chlamys.

Auf der Stufe dieses Amazonenstoffes stehen die Reste einer seidenen Clavatura im Kaiser Friedrich Museum, aus zwei langen Claven nebst ihren runden Anhängseln und

einem fragmentarischen Orbiculus bestehend.2) In den üblichen Farben der Alexandria:

stoffe — nur das Rot ist im Grabe verbräunt — sind auf den Claven antike Quellnym: phen, Bogenschützen mit Löwen, weibliche Halbfiguren mit Zweigen in den Händen

dargestellt, auf dem Rundbesatz wieder Jäger zu Fuß, nur mit der Chlamys bekleidet, dazu

Jagdhunde und Eroten. Die Borte aus Herzblüten und Knospenpaaren, außen von einem Flechtband, innen von der Astragalschnur eingefaßt, vereinfacht zwar das Ornament des

Verkündigungsstoffes, zeigt aber doch soviel Stilverwandtschaft, daß die Anfertigung in

derselben Werkstatt sehr wahrscheinlich ist, um so mehr, als auf dem Clavus3) auch die Akanthuspalmette als Füllmotiv wiederkehrt. Das ist nicht der einzige Belag dafür, daß

diese Werkstatt gleich dem Zacharias von Achmim seidene Clavaturen mit abgepaßten Mustern gewebt hat. Auch das South Kensington Museum besitzt) einen bunten Clavus: rest mit gleicher Borte, auf dem ein Adler im Kreisfeld und zweimal die erwähnten Lanzenreiter auf der Löwenjagd zu sehen sind.

Bei den nächstfolgenden Geweben läßt sich wohl noch die Zugehörigkeit zur alex: andriner Gattung, aber nicht mehr zur engeren Gruppe des Verkündigungsstoffes begründen.

Zeitlich folgt der letzteren in kurzem Abstand der Simsonstoff (Tafel 7c = Abb. 71). Das

Muster muß sehr beliebt gewesen sein; in Rom (Kapelle Sancta Sanctorum), im Dom zu Chur, der seit der Mitte des 5. Jahrh. Bischofsitz war, in Maastricht und in einer Hand,

schrift des 9. Jahrh. in der Wiener Hof bibliothek haben sich Stücke gefunden,) in Otto; beuren ist das größte Stück, der sogenannte Alexandermantel vorhanden, und im Inventar der Londoner Paulskirche wird noch im Jahr 1295 ein Simsonstoff verzeichnet „Baudekynus rubeus cum Sampsone constringente ora leonum".6) Man hat das Muster auch als Herkules mit dem nemeischen Löwen oder als Zirkuskämpfer, Venator oder Bestiarius, gedeutet. Es wäre denkbar, daß der Weber ein Muster nach Belieben schaffen wollte, dessen Deutung im christlichen oder heidnischen Sinn dem Abnehmer je nach der kirchlichen oder welt, lichen Verwendung überlassen blieb. Dem steht jedoch entgegen, daß die Darstellung eines Mannes, der in der bekannten Mithrashaltung einem Löwen das Maul zerreißt, für den Löwenkampf des Herkules keineswegs typisch ist, wohl aber für Simson und David. Auf

') Sie wird daher vornehmlich den drei Königen aus dem Morgenland oder dem Propheten Daniel verliehen; Beispiele auf der Tür von S. Sabina, Venturi I fig. 317, auf dem großen Mailänder Diptychon Venturi I fig. 389, auf dem Theodoramosaik in Ravenna und vielen anderen Denkmälern dieser Zeit.

  1. Jahrbuch der preuß. K. S. 1903 fig. 7-12, auch Dreger, Entwicklung T. 12a.

  2. Jahrbuch 1903 fig. 11.

') Inv. 2200. 1900; Photogr. S. Kens. Mus. 27.334.

  1. Bock in den Mitteilungen der Zentralkommission 1860 S. 87.

  2. Ansehnliche Stücke besitzen außer dem Churer Dom, s. Molinier, Trésor de Coire T. 22 und Otto- beuren das South Kensington Museum, danach unsere Tafel 7; das Stoffmuseum in Lyon, abgeb. Migeon, Les Arts du Tissu S. 21; das Clunymuseum und das Germanische Museum, das Kunstgewerbemuseum in Wien, s. Dreger, Entwicklung T. 18; kleine Abschnitte die Berliner Stoffsammlung, der Bargello und das christliche Museum im Vatikan.

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