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0142 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 142 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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in den Jagdbildern persischer Seidenstoffe ist ebenso wie in der zweiten Gruppe der alex: andrinischen Reiterstoffe die symmetrische Figurenverdopplung durchgeführt. Wenn das nicht auf einem besonderen Bedürfnis der Weberei, sondern auf einem vom Altertum her fortwirkenden oder orientalischer Empfindung angeborenem Kunstprinzip beruhen würde, so sollte man erwarten, daß für dieselben Jagdbilder bei einer Ausführung in anderem Werkstoff, bei ungefähr gleichem Maßstab, ebenfalls die Symmetrie zur Geltung käme. Das ist aber keineswegs der Fall. Neben den Pehlewigemmen geben die persischen Silberschalen der Sassanidenzeit Jagdtaten der Könige in Mengen.') Etwas realistischer als die gleich: zeitigen Gewebe, weniger mythologisch, bleiben die Motive im Grund doch dieselben. Und auf den Silberschalen erscheinen die Reiter immer einzeln, niemals ein Versuch symme: trischer Anordnung. Mehr noch ; nicht einmal in der Seidenweberei Persiens ist die Spiegel: bildmusterung die Regel oder auch bloß vorwiegend. Von den Tiermustern (mit oder ohne Kreiseinteilung), die inhaltlich der mechanischen Verdopplung offenbar weniger wider: streben, als die Bilder von Königen, entbehren die der Sassanidenzeit angehörigen Beispiele fast durchweg noch der symmetrischen Ordnung. Der große Hahnenstoff im Vatikan (vgl. T. 21, Abb. 98) und der kleine in Berlin (vgl. Abb. 103), die Entenstoffe in Rom und Aachen (vgl. T. 22 a, Abb. 99, T. 23 a), die Steinböcke und Flügelrosse aus Antinoe (vgl. Abb. 48, 49, 50), die Hippokampen und Vogelmuster auf den Gewändern der Chosroesreliefs von Takibostan (vgl. Abb. 91 bis 95), lauter gesicherte sassanidische Muster, ordnen die Tierbilder nicht gegenständig, sondern in einseitig gerichteten Reihen. Das ist dieselbe Anordnung, die schon der altgriechische Entenstoff aus der Krim (vgl. Abb. 5), die persischen Gewänder auf dem Mosaik der Alexanderschlacht und weiterhin mehrere mit Enten gemusterte Gewänder im Theodoramosaik von S. Vitale in Ravenna aufweisen.

Nach alledem ist es unmöglich, die gegenständigen Doppelmuster auf ein persisches Kunstprinzip zurückzuführen. Im Mittelalter beherrschen sie allerdings die orientalische Seidenweberei ebenso wie die des Abendlandes. Entstanden sind sie aber beiderseits aus einem allgemeinen Zeitgeschmack heraus durch allmähliche Umbildung der älteren einseitig gerichteten Muster aus Einzelmotiven.

Daß in Alexandria die Wandlung vom Einzelbild zum Doppelbild im Verlauf des 6. Jahrhunderts sich vollzog, ist an den vorhandenen Stoffen zu verfolgen; nichts berechtigt zu der Vermutung, daß Persien hierin vorangegangen oder Vorbild gewesen. Die unmittel: bare Ursache der Spiegelbildmuster ist in künstlerischen und technischen Anforderungen der Seidenweberei selbst zu suchen. Denn für die schwierigste Arbeit des Kunstwebers, die mustergerechte Aufteilung aller Kettfäden und ihre Verbindung mit den zur Fachbildung nötigen Aufzügen, bot der symmetrische Umschlag des Musterbildes eine ganz wesentliche Erleichterung und Zeitersparnis. Er verlieh außerdem den gewebten Bildern vollkommenes Gleichgewicht. Und das war wohl entscheidend. Solange man figürliche Motive in Reihen hintereinander darstellte, ergab sich leicht eine einseitige Richtung des Musters, wie sie am Maenadenstoff von Sens (s. Abb. 52) am auffälligsten zutage tritt. Kein anderes Mittel konnte so gut wie die gegenständige Verdopplung diese beim Gebrauch der Stoffe oft un, erwünschte Wirkung aufheben.

Die Flächenteilung der Seidenstoffe durch aneinander gereihte Kreise hängt so eng und offenkundig mit dem spätantiken Mosaikstil zusammen, daß eine orientalische Entstehung, etwa aus dem altassyrischen Flechtband, gar nicht in Frage kommen kann. An der Pflege der musivischen Kunst ist der eigentliche Orient, also Persien, überhaupt nicht beteiligt; ihre Entwicklung hat sich ausschließlich auf römisch griechischem Gebiet vollzogen, wobei dem syrisch ; alexandrinischen Kunstkreis die Führung und Stilbildung zufiel. Es ist an

') Smirnow, Argenterie orientale.

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