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0145 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 145 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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scheidend. Hierin kommt in der Tat der Unterschied zwi. schen hellenistischem und orientalischem Kunstvermögen mit aller wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck.

Als Beispiel der griechischen Auffassung mögen die in den alexandriner Stoffen überwiegenden Bogenschützen

dienen, obwohl dieser Typus den persischen Darstellungen

näher steht, als die der Antike viel geläufigeren Lanzenreiter. Die Amazonenbilder von Säkkingen (s. T. 8, Abb. 70) und

Achmim (s. T. 10b) sind nur der dürftige Abklatsch eines

alten, ursprünglich plastisch gedachten Motivs, das hier schon zum Ornament geworden ist. Aber weder die ge.

sunkene Zeichenkunst der absterbenden Antike, noch die

mechanische Wiederholung als Flächenmuster haben die künstlerischen Vorzüge ganz verwischen können. Jede Be,

wegung von Mensch und Tier ist wohl motiviert und darauf berechnet, den Vorgang zu beleben und zu verdeutlichen. Das Roß jagt nicht, wie es auf persischen Gemmen und

Silberschalen nach assyrischer Tradition oft zu sehen ist, in fliegendem Galopp dahin, son. dem es stockt im Lauf, um dem Reiter Zeit zu gewähren, seinen Pfeil zu entsenden oder den Lanzenstoß wohlgezielt anzubringen. Die steigende Stellung des Pferdes, das über dem Löwen auf gleichgestellten oder breit auseinandergesetzten Hinterbeinen sich hoch auf bäumt, die Vorderfüße in verschiedenem Winkel emporgeworfen, ist für die griechische Kunst durchaus typisch. Ebenso die Beinhaltung des Reiters, der in der Richtung seiner Aktion eine Wendung im Sattel vollführt: Immer ist das Bein auf der Schauseite im Knie stark eingebogen und an den Bauch des Pferdes heraufgenommen, während das andere — auf den Seidenstoffen nicht sichtbare — Bein gradaus nach vorn gestreckt wird. Dadurch wird sowohl die zur Aktion dienliche Wendung des Reiters wie das Anhalten und Herein. nehmen des Pferdes vollkommen zum Ausdruck gebracht.') Niemals fehlt der hinter den Schultern hochfliegende Mantel, der die Bewegtheit des Vorgangs verstärkt und den Um. riß der Gruppe bereichert.

Dieser griechische, in langer künstlerischer Zuchtwahl festgestellte Typus eines kämp. fenden Reiters in flatternder Chlamys, mit der stark divergierenden Beinhaltung, auf stei. gendem Roß, reicht mit der Grabstele des Dexileos2) in die klassische Zeit attischer Plastik zurück. Dann führt ihn vom Alexandersarkophag aus Sidon eine lange Kette von Brie• chischen und römischen Denkmälern, Marmorwerken, Kaisermünzen und Gemmen bis zur Spätantike herab (Abb. 79; Konstantin II, Onyxgemme in Paris, nach Babelon). Als cha. rakteristische Beispiele aus der großen Skulptur sind die schönen Rundreliefs am Konstan. tinsbogen in Rom anzuführen, die den Kaiser Trajan auf der Eber. und Bärenjagd dar. stellen,3) ferner aus dem 4. Jahrh. nach Chr. der Eberjäger auf dem oströmischen Marmor. sarkophag aus Selefkieh im Museum zu Konstantinopel.') Auch in die römische Provinz. kunst des. Nordens ist derselbe Typus vorgedrungen: Im 3. Jahrh. nach Chr. und weiter wurde in den gallischen und germanischen Standlagern der römischen Legionen der bis

') Als Beispiele aus der Rundplastik vergleiche man die Alexanderstatuette im Museum von Neapel, Collignon, Hist. de la sculpt. grecque II fig. 228; Woermann, Kunstgeschichte I S. 365; oder die Amazonen: statuette aus Herkulanum, Woermann I S. 311.

  1. Nach 394 v. Chr., abgeb. Collignon II fig. 89.

  2. Phot. Anderson, 2528 u. 2530.

3) Abgeb. Strzygowski, Orient oder Rom S. 48.

Abb. 79. Konstantinsgemme des 4. Jahrh.

in Paris.

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