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0194 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 194 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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die Fremdherrschaft an Stelle einer stolzen und ruhmreichen Unabhängigkeit. Das Schisma in der Lehre Muhammeds verschärfte frühzeitig die gegenseitige Abneigung. Das schiitische Bekenntnis, dem die Perser fast allein als geschlossene Masse im ganzen Bereich des Islam mit Eifer anhingen, war ihnen nicht bloß Glaubenssache, sondern ein Mittel, sich auch religiös von den Arabern abzusondern. So vertiefte sich die Spaltung zwischen den während des B. Jahrhunderts noch im Kalifat vereinten und um die Führung ringenden Rivalen, bis im Anfang des 9. Jahrh. auch das politische Band zerriß. Unter den Tahiriden (822-876) stellte sich Nordpersien auf eigene Füße und dehnte sich unter den bis zum Ende des 10. Jahrh. herrschenden Samaniden bis an die Grenzen von China.

Damit verschob sich der Schwerpunkt iranischen Lebens nach Nordosten; Khorassan jenseits der Salzwüste mit der Tahiridenresidenz Nischapur, die Städte Rey, Tus, Merw und die transoxanische Samanidenhauptstadt Bokhara wurden die Pflanzstätten persischer Wissenschaft und Dichtung. Die Übersetzungen griechischer und arabischer Schriftsteller, das Auftreten persischer Gelehrten von Weltruf wie Avicenna zeugen für die Lebhaftigkeit geistiger Tätigkeit um die Wende des ersten Jahrtausends. Das Verständnis dafür ist selbst den von Nordosten her neu in die Gemeinschaft des Islam eintretenden Völkern barba, rischer Herkunft nicht fremd geblieben. Am Hof des Türkensultans Machmud von Ghazna (997-1030), der das Samanidenreich mit Vorderindien vereinigte, vollendet Firdusi das große Heldengedicht der Iranier. Machmud war der Vorläufer der Völkerwanderung, die aus dem unerschöpflichen Barbarenbecken Innerasiens über das ostmuslimische Kulturges biet hereinbrach. In den Staaten, welche seit dem 11. Jahrh. die seldschukischen Türken in Persien und in den Byzanz abgerungenen Teilen Kleinasiens begründeten, stand die islas mische Kunst noch immer auf achtbarer Höhe. Unverwindlichen Schaden für den ganzen Osten brachten erst die Mongolenstürme des 13. und 14. Jahrhunderts, von deren Vers wüstungen sich Vorderasien nie wieder erholt hat. Aber was immer an Eroberern, Staaten; gründern oder Zerstörern während des Mittelalters diese unglücklichen Länder durchzog oder besiedelte, die eigentlichen Träger der Kunsttätigkeit sind hier allzeit die Iranier geblieben.

Persische Elemente haben auch in die westsarazenische Kunst reichlich Aufnahme ges funden. Grade in der Seidenweberei kann man ihnen am öftesten begegnen, weil die Stoffe als Handelsware die Übertragung und Vermischung östlicher und westlicher Muster am meisten gefördert haben. Trotzdem bietet das Vorherrschen des iranischen Gepräges in den Erzeugnissen des Ostens eine brauchbare Handhabe, um den Bestand islamischer Seiden: gewebe des hohen Mittelalters zunächst in zwei Hauptgruppen ostmuslimischer und west, muslimischer Herkunft zu verteilen.

A. Ostmuslimische Seidenstoffe. Die westpersische Gruppe.

An die Spitze der mittelalterlichen Gewebe Persiens gehören natürlich diejenigen Denkmäler, die den erweislich sassanidischen Stoffen noch am ähnlichsten sind. Den aus einer aragonischen Kirche stammenden Elephantenstoff in Berlin (Tafel 31 = Abb. 128)') und die damit aufs engste verwandte Hülle der Reliquien des heiligen Victor in Sens (Abb. 129) habe ich nur deshalb nicht in die Sassanidengruppe aufgenommen, weil eine unmittelbare Beglaubigung ihrer Entstehung vor der Mitte des 7. Jahrh. nicht zu erbringen war. In ihrem Stil liegt sonst nichts, was eine Absonderung von den älteren persischen Stücken notwendig machen würde. Julius Lessing hat zwar den Elephantenstoff byzantinisch genannt, weil der berühmte und erheblich jüngere Elephantenstoff im Aachener Karlsschrein (vgl. Abb. 241) laut Inschrift in Byzanz gewebt worden ist. Die vermeintliche Verwandt,

1) Ein zweites Stück ist abgebildet im Katalog Miguel y Badia T. 27 fig. 166.

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