National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0257 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 257 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

nenswert, daß die klammerartigen Querstücke am Stamm des Bäumchens zwischen den Pfauengruppen auch bei dem Brokat aus dem Grab Heinrichs VI (s. T. 45a, Abb. 198) vor: kommen. Daß das Inventar der Pfalzkapelle von 1309 bei der casula vetustissima ad pavones die Buntheit hervorhebt, soll nur beiläufig angeführt werden; auch wäre eine entschiedene Verwandtschaft der Farbenstimmung zwischen dem Toulouser Gewebe und dem sizilianer Stoff Tafel 45 c zu bemerken. Wichtiger scheint mir, daß für den Prachtstoff von Toulouse wiederum die Nachwirkung in Italien festgestellt werden kann. In der Sammlung F. Bock befand sich ein Seidenstoff (Abb. 207, Original verschollen), der alle wesentlichen Elemente des Toulouser Musters stark vergröbert, vereinfacht und mit merklich italianisiertem Form: gefühl wieder gibt. Die Jagdhunde und die Rehe unter den Pfauen, die Vögel über deren Schweifen, die spitzovalen Baumkronen mit der Peribandeinfassung, alles ist vorhanden, allein die Vielfarbigkeit, die Eleganz der sarazenischen Zeichnung und die nur einer auf der Höhe ihres Könnens stehenden Webekunst erreichbare Fülle schmückender Einzelheiten sind verschwunden. Es ist recht lehrreich zu sehen, wie weit die italienische Nachahmung hinter dem sarazenischen Vorbild zurückbleibt und wie kräftig das abendländische Emp, finden durchbricht. Damit sind einige Gründe vereinigt, um die Herstellung des Toulouser Stoffes in einem sarazenischen Betrieb Palermos zur Normannenzeit, also in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ziemlich zu sichern.

Eine andere Richtung der sizilianischen Weberei vertritt der Vogelstoff des Erzbischöf. lichen Museums in Utrecht (Tafel 47 = Abb. 208). Die Vogelpaare wechseln wie in Toulouse auf blauem Grund reihenweis mit der Farbe, rot, gelb, grün ; und die Füllung des ganzen Grundes durch Rankenwerk, dessen Zeichnung die senkrechten Achsen stark betont, ist am Brokat aus dem Grab Heinrichs VI bereits vorgebildet. Die Einzelformen der Ranken und Palmetten stehen jedoch in der Mitte zwischen der islamischen Arabeske und dem Rankenornament von Byzanz, wie es etwa auf dem Elephantenstoff in Aachen (vgl. auf der Doppeltafel 68, 69 die Palmetten des Baums hinter den Elephanten) zu sehen ist. Daß die Vögel noch etwas an die Enten persischen Stils erinnern, ist ebenfalls durch byzantinischen Einfluß zu erklären. Es liegt also hier eine Verschmelzung west, muslimischen und byzantinischen Stils vor, wie sie aus dem Zusammenarbeiten sara: zenischer und griechischer Kräfte in Palermo sich ergeben mußte. Ein schwächeres Werk derselben Gattung ist die große bei den Reliquien Kaiser Karls des Großen gefundene Seidendecke Tafel 45 b, die wahrscheinlich bei der Vollendung und Weihe des Karls, schreins im Jahr 1215 durch Friedrich II als Hülle der Gebeine gestiftet wurde. Die Rankenführung stimmt mit dem Utrechter Stoff überein, ist aber stärker byzantinisiert, während die Häschen mit ihren steif aufgereckten Ohren dem westislamischen Formen: schatz entnommen sind.

Nach der Vorführung der rein sarazenischen Gewebe Siziliens und der Arbeiten des arabisch griechischen Mischstiles bleibt noch übrig, die Palermitaner Seidenstoffe der byzan= tinischen Richtung festzustellen. Die Grenze nach Byzanz hin ist naturgemäß verschwommen und wir stehen vor derselben Schwierigkeit, wie bei der Absonderung der siculo:sarazeni. schen Werke von dem arabisch spanischen Denkmälerbestand. Trotzdem scheint ein Versuch nicht hoffnungslos.

In erster Linie kommt als Arbeit der griechischen Weber in Palermo aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. der große Altarbehang aus dem Dom zu Vich bei Barcelona in Betracht, dessen Muster in halber Größe auf Tafel 48 (Abb. 209) dargestellt ist 1). Es ist ein eindrucks. volles Stück und man begreift, daß das Volk, dem die Fabelwesen mit Löwenköpfen vom Altar her entgegenstarrten, die Bezeichnung Hexenstoff dafür 'gefunden hat. Das Muster

1) Das Antependium ist jetzt im Museum zu Vich. Der Rapport ist nicht weniger als 90 cm hoch.

125