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0258 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.1 / Page 258 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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steht schwarz mit wenig Weiß auf leuchtendem Rot; das sind die typischen Farben der by zantinischen Adlerstoffe, die im Inventar der Kurie von 1295 Panni imperiales de Romania genannt werden. Trotz des Fundorts kann von spanischer Arbeit nicht die Rede sein, denn das Muster enthält gar nichts, was mit den erweislich spanischen Arbeiten des hohen Mittel, alters übereinstimmt. Offenkundig ist vielmehr der Zusammenhang mit Byzanz. Vom westislamischen Seidenstil ist der byzantinische ganz wesentlich verschieden, auch dann, wenn beiderseits dieselben Motive, Doppeladler, Greifenpaare, Vögel und dergleichen ver, wendet werden. Den eleganten glatten Linienschwung und die Zierlichkeit des Ornaments, welche die westmuslimischen Muster auszeichnen, hat Byzanz nicht erstrebt oder nicht er; reicht. Die griechischen Seidenstoffe suchen ihre Wirkung mehr in einer gewissen Größe und Wucht der Muster, dazu in vollen und tiefen Farben, wobei eine harte und eckige Linienführung als unwesentlich mit in Kauf genommen wird. In diesem Sinn steht der Hexenstoff zum sarazenischen Doppeladlerstoff in Siegburg oder zum Toulouser Pfauenstoff in entschiedenem Gegensatz, während ihn mit den byzantinischen Arbeiten außer der all; gemeinen Stilverwandtschaft noch viele Einzelheiten verknüpfen. Für die wuchtig gezeich, neten und auf den Gelenken mit hellen Scheiben versehenen Tatzen der in einen Löwen; kopf zusammenwachsenden Doppelvögel und für die klobigen Pfauenfüße ist am besten der griechische Doppeladlerstoff Tafel 77 (Abb. 249) zu vergleichen; die Herzreihe auf der Brust der Pfauen zeigen die Vögel des evident byzantinischen Purpurgewebes auf Tafel 73, das auch in der Zeichnung der Flügel mit dem Hexenstoff übereinstimmt. Für die selt, same Schlangenumrahmung des löwenköpfigen Monstrums sind nur im byzantinischen Formenschatz Analogien zu finden: Einmal sind kreisbildende Schlangen auf einer Gold; schmelzplatte der Pala d'oro in Venedig') und nochmals auf einem Doppeladlerstoff in Salzburg (vgl. Abb. 254) dargestellt. Auch die Schlangen auf den Palermitaner Borten aus dem Grab Rogers I sind als ein Hinweis auf Sizilien beachtenswert.2) Für Sizilien spricht die in Palermo übliche, in Byzanz aber nicht nachweisbare Musterteilung des Hexenstoffes in senkrechte, durch dünne Stengel begrenzte Streifen, ferner das Pfauen; motiv und von Einzelformen die hinter den Füßen der Pfauen und Monstren herab: hängenden Zapfen, die auch die Vögel des Utrechter Stoffs Tafel 47 (Abb. 208) kenn= zeichnen.3)

Dem Hexenstoff stilistisch und in der Textur verwandt sind zwei Purpurstoffe, die schon durch die düster vornehme Farbenwahl, blaues Muster mit wenig Rot auf tiefviolet, tern Grund, den Zusammenhang mit Byzanz verraten. Das eine Stück ist von Dupont, Auberville4) farbig veröffentlicht worden (Abb. 210), das Original ist aber seither ver, schollen. Das andere wird als Sudarium des heiligen Potentian im Schatz von Sens be wahrt (Abb. 211).5) Beide Gewebe sind augenscheinlich von einem und demselben Muster, zeichner und Weber geschaffen. Die Musteranordnung ist zwar verschieden: auf dem erst: genannten Stoff sind die Kreise reihenweis versetzt und an sechs Stellen miteinander ver,

  1. Venturi II fig. 480.

  2. Abgeb. Kumsch, Zeitschrift f. bild. Kunst 1903 S. 308 fig. 7.

  3. Diese Zapfen sind ein mißverstandenes Überbleibsel, das ursprünglich den Hinterleib der Vögel dare stellte, wie das auf einer ziemlich organischen Zeichnung von Pfauen in einer griechischen Handschrift des 10. Jahrhunderts in der Bibl. Nat. Paris, abgeb. Labarte, Hist. des arts industr. Album II T. 83 noch deut, lich zu erkennen ist.

  4. L'ornement des tissus T. 6 in der Mitte.

  5. Es ist ein halbes Pluviale 140 cm zu 100 cm groß und als Ganzes farbig von Gaussen, Portefeuille archéol. de la Champagne, Tissus T. 5 abgebildet. Chartraire im Inventar von Sens nr. 33 vermutet, daß der Stoff bei einer Translation im Jahr 1218 den Potentiansreliquien beigegeben worden sei, womit der Stil wohl übereinstimmt.

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