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0098 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 98 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Mengen durch ganz Deutschland und darüber hinaus nach Frankreich und bis nach Spanien vertrieben worden, daß ein gewerbsmäßiges Unternehmen dahinter gestanden haben muß. Ein solches würden aber die Zünfte und Kaufleute Regensburgs am Ausgang des 13. Jahr; hunderts in einer Klosterwerkstatt schwerlich mehr geduldet haben. Im Allgemeinen hatte das Laienhandwerk in den großen Städten, deren Ansehen und Reichtum auf Handel und Gewerbe beruhten, schon während des 12. Jahrhunderts den Klöstern die gewerbliche Tätigkeit zum größten Teil abgenommen. So groß die Bedeutung des Stiftes S. Emmeram als einem Hauptsitz der Klosterkunst im 11. Jahrhundert gewesen war, ist doch von einer Fortdauer dieses Wirkens bis zum Ende des 13. Jahrhunderts nichts überliefert. Wo wir sonst im romanischen Kunstgewerbe auf eine Denkmälergattung stoßen, die wie die limusiner Kupferschmelzgeräte über ein weitreichendes Absatzgebiet verhandelt wurde, ist in der Regel Laienarbeit anzunehmen. Ausschlaggebend gegen eine deutsche Klosterweberei sind die aus dem italienischen Stil der regensburger Stoffe entspringenden Bedenken. Was uns in diesen Mustern abendländisch anmutet, die romanische Heraldik der Tierbilder, war in den italienischen Seidenstoffen schon vorhanden. Die vollkommene Stilgleichheit der regensburger und der luccanisch;venezianischen Seidenmuster macht es wahrscheinlich, daß die in der Donaustadt ansässigen Italiener die Urheber der Seidenweberei daselbst ge: wesen sind. Vielleicht liegt darin eine Erklärung für die auffällige Berichtigung der Stifter; inschrift des Altarbildes im Domschatz. Eingewebt steht EPISCOPUS ENRICUS. Da: nach erst hat ein Pedant H und I hinzugestickt, um den Stifternamen in Heinricus zu ver: deutschen. Wenn die regensburger Seidenweber von vornherein Deutsche gewesen wären, so müßten doch schon in den entlehnten Tiermustern irgendwelche Spuren deutschen Formengefühls zum Vorschein kommen. Ein deutsches oder richtiger germanisches Textil, ornament war damals schon längst vorhanden, jene aus spätrömischen Bandgeflechten ab, stammenden Verästelungen und Verschlingungen von Hakenkreuzen und Mäandern, die ebenso in der Leinendamastweberei wie in der 'Bortenwirkerei und romanischen Stickerei des 12. und 13. Jahrhunderts sich entfalteten. Der Goesser Ornat im Wiener Kunstgewerbe, museum gibt unter vielen verwandten Denkmälern die beste Vorstellung des germanischen Textilornaments.') Davon ist in die große Masse der regensburger Halbseidenstoffe nichts eingedrungen; neben den vielen Mustern italienischen Stils ist nur ein einziges Halbseiden: gewebe von regensburgischer Textur erhalten, das ein rein deutsches Muster aufweist (Abb. 317).2) Mit eckig und primitiv gezeichneten Vierfüßlern und Vögeln wechseln in Streifen die typischen Mäandergeflechte, genau so, wie sie auf der Goesser Dalmatik (um 1250) eingestickt sind. Damit ist auch in der Textur nahe verwandt ein längsgestreifter Stoff in Siegburg (Abb. 318), der zwar in der Anlage des Rautenmusters mit Rosetten und Sternen wieder eine italienische Vorlage, in den eckig unbeholfenen Tierbildern aber doch einen deutschen Zeichner verrät. Ein so ungleiches Verhältnis zwischen deutscher und italienischer Erfindung im regensburger Denkmälerbestand führt zum Schluß, daß deutsche Mitarbeiter oder Musterzeichner im regensburger Betrieb zwar vorhanden, in ihrer Wirksamkeit jedoch den Trägern des italienischen Stils untergeordnet waren. Daher ist die Seidenweberei der Donaustadt als ein Ableger des italienischen Muttergewerbes anzusehen. Leider sind urkundliche Nachrichten darüber noch nicht bekannt; erst aus viel späterer Zeit wird von einem ähnlichen Unternehmen in Bayern berichtet, als der Bischof Wilhelm von Eichstätt im Jahre 1482 einen venezianischen Meister berief, um daselbst die Seidenweberei einzu= richten.3)

') Kunst und Kunsthandwerk XI 1908, Heft 12; Illustr. Gesch. d. Kunstgewerbes I S. 297. 2) Im Passauer Dom; Formenschatz 1907, nr. 123.

S) J. Schlecht, Beiträge zur Kunstgeschichte der Stadt Eichstätt 1894, S. 30.

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