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0027 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 27 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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schlichten Stoffen die schweren Atlasgewebe mit ihrer unscheinbaren Linearmusterung als das geeignetste Erzeugnis dar. In Deutschland sind aus dem Ende des 10. und dem An; fang des 11. Jahrhunderts Kaseln und Chormäntel aus solchem Atlas noch in überraschender Zahl vorhanden, sodaß man die Wende des 1. Jahrtausends als ihre Blütezeit ansehen muß. Die Hauptstücke sind zwei Kaseln des Erzbischofs S. Willigis (975-1011), eine in S. Stephan zu Mainz (Tafel 58 =Abb. 231), die andere im Bayrischen Nationalmuseum in München, früher in Aschaffenburg,') beide gleich. Aus derselben Zeit die Kasel des heil. Heribert (999-1021) in Deutz, die Kaseln des heil. Ulrich (-j- 973) in der Ulrichskirche und im Museum von Augsburg (Abb. 232), der sogenannte Mantel Kaiser Ottos I im Mer, seburger Dom (Tafel 59a) und die Grabkasel des Bischofs Bernward (f 1022) in Hildes, heim (vgl. T. 70, Abb. 243). Auch der Goldstickerei des ungarischen Krönungsmantels, den König Stephan von Ungarn und seine Gemahlin Gisela von Bayern im Jahre 1031 als Kasel für die Kirche Stuhlweißenburg arbeiten ließen, dient ein violetter Atlas dieser Gat, tung als Grundlage. Aus dem 12. Jahrhundert stammen noch ein Chormantel im Halber; städter Dom und die gelbe Kasel in Xanten (gleich dem Muster Tafel 59b), die der heilige Bernhard von Clairvaux trug, als er im Jahr 1146 daselbst den Kreuzzug predigte. Da deren Muster vom Merseburger Mantel sich nur wenig unterscheidet, könnte man bei der Unverwüstlichkeit dieser Gewebe an die Benutzung eines älteren Gewandes aus dem Vor, rat der Xantener Kirche denken. Doch ist die Atlasweberei mit eingetiefter Zeichung da, mals noch betrieben worden, denn auch der gestickte Kaisermantel aus Palermo vom Jahr 1133, sowie die seidene Einfassung der gleichzeitigen Tunicella des Kaiserornats2) fallen noch in diese Gruppe.3)

So wenig aufregend die Muster der byzantinischen Atlasstoffe wirken, so merkwürdig sind sie für die Entwicklungsgeschichte des Textilornaments. Das in der ganzen Gruppe vorherrschende Schema ist an den Willigisgewändern (T. 58, Abb. 231) am reinsten aus, geführt.') Die Fläche wird durch wellig aufsteigende schmale Bänder in große Spitzovale von 60 cm Höhe zerlegt, die reihenweis versetzt ineinander schießen. Sie sind an vier Stellen durch kleine Scheiben miteinander verbunden. Die Mitte jedes Spitzovals füllt, von einem ovalen Perlband umzogen, eine Palmette mit merkwürdig plastisch empfundenen Einrollungen. Das Perlband wird von einer kleineren Palmette getragen und von einem Kranz stark gekrümmter Blätter umzogen. Auf dem Merseburger und Xantener Stoff (T. 59) wechseln inmitten der Spitzovale reihenweis Palmetten mit Rosetten ab, wie sie sonst die Zwickel der byzantinischen Kreismuster von der Art des großen Aachener Elephanten; stoffes füllen. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß diese Palmetten und Rosetten nur auf griechischem Boden gewachsen sein können, sodaß eine außerbyzantinische Herkunft der Gattung gar nicht in Frage kommt.

Wir sehen hier auf zweifellos byzantinischen Stoffen aus der Zeit um das Jahr 1000 in dem Spitzovalnetz und dem Blattkranz um eine Mittelpalmette die wesentlichen Elemente einer Mustergattung, die in China und dem islamischen Orient nach dem Absterben des alten Kreisschemas im 14. Jahrhundert auftaucht, von Italien übernommen wird und hier das Granatapfelmuster vorbereitet, mit dem die Entwicklung der Seidenkunst des Mittelalters ab,

') Abgeb. Rohault de Fleury, La Messe VII T. 585.

2) Bock, Reichskleinodien T. 30, fig. 46, S. 153.

') Von gleicher Arbeit besitzt das Münchener Nat. Museum zwei Stücke weißen Atlas von der Bam= berger Dalmatik daselbst; einige andere Muster das S. Kens. Museum und die Wiener Stoffsammlung. Ein Stück der letzteren hat Karabacek mit dem im Mittelalter häufigen Stoffnamen Siklat oder Siklatun identifi% ziert und als orientalische Arbeit veröffentlicht. Doch entbehrt diese Bestimmung jeder Begründung.

') Die Willigiskaseln haben in Reihen wechselnd zwei verschiedene Palmetten in den Spitzovalen. Auf unserer Tafel 58 ist davon irrtümlich nur eine zur Darstellung gebracht.

Falke. Seidenweberei.

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