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0028 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 28 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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schließt. Doch besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der byzantinischen Willi: gisgruppe und dem Hauptmotiv der italienischen Spätgotik. Das letztere geht vielmehr, wie später auszuführen sein wird, auf die chinesischen Rankenmuster mit Lotuspalmetten zurück. Daß diese schon die byzantinischen Atlasstoffe des 10. Jahrhunderts beeinflußt hätten, ist wegen der Zeitfolge und durch die völlig unchinesische Bildung der Palmetten und anderer Einzelheiten ausgeschlossen. Möglich ist jedoch, daß umgekehrt die griechischen Gewebe der Willigisgruppe das chinesische Textilornament befruchtet haben und daß ihre Elemente nach einem langen Kreislauf über Ostasien und die islamische Weberei des 14. Jahrhunderts zum Westen zurückgekehrt im Granatapfelmuster zu neuer Blüte auferstanden sind.

Nach der Bindung gehört auch die Ebbokasel in Sens hierher; nur die Zweifarbigkeit unterscheidet sie technisch von den vorgenannten Denkmälern. Die Zeichnung ist durch: weg in der üblichen Art eingetieft und zeigt weiß in weißem Grund Adler entschieden antikisierenden Stils, dazwischen in weiten Abständen goldgelbe Weinblätter, wie sie uns schon auf oströmischen Stoffen (vgl. T. 15, 17, 18) begegnet sind, und scheibenförmige Rosetten (Abb. 233). Die Kasel soll 976 im Grab des heiligen Ebbo (-(- 750) in so gutem Zustand gefunden worden sein, daß sie späterhin am Feiertag des Heiligen getragen wurde. Der Schnitt der Kasel weist jedoch auf das 10. Jahrhundert') und da aus dem B. Jahr: hundert Atlasstoffe mit vertieftem Muster nicht bekannt sind, ist sie wahrscheinlich erst bei der Translation 976 zu den Reliquien gekommen.2)

Die Tiermuster der Blütezeit vom 10.-12. Jahrhundert.

Während die ornamentalen Muster sich von fremden Elementen frei erhielten, viel: leicht weil der Orient auf diesem Gebiet noch keine brauchbaren Vorbilder zu bieten hatte, herrscht in den byzantinischen Tierstoffen des 10. Jahrhunderts der persische Stil fast schran: kenlos. In den Tierbildern selbst verzichten die griechischen Musterzeichner dieser Zeit vollständig auf eigene Erfindung; nur in den ornamentalen Zutaten bleiben sie den heimi; schen Formen treu. Die letzteren bilden daher, wenn nicht griechische Inschriften oder die Farben aushelfen, das beste Auskunftsmittel zur Heimatsbestimmung.

Der auf Tafel 60 abgebildete Pegasusstoff des Kestnermuseums in Hannover (Abb. 234) ist von der technischen und zeichnerischen Veredlung, die das 10. Jahrhundert der Seiden: weberei von Byzanz beschert, noch kaum berührt. Das steife Rankenwerk in den Zwickeln, die unorganische Verbindung der kreisbildenden Blattschnüre und die Zweifarbigkeit — gelbliche Rohseide auf violett gleich dem frühen Greifenstoff T. 37 b — lassen eher auf das B. oder 9. Jahrhundert schließen, zumal auch das raumfüllende Bäumchen mit großen Granatäpfeln auf einem Marmorrelief des 7. Jahrhunderts in der Marcuskirche von Venedig sein Gegenstück findet.3) Wenn hier das Flügelroß der persischen Merkmale noch ent: behrt, so scheint in dem farbenreichen Pegasusstoff des Vatikans (Abb. 235, aus der Kapelle Sancta Sanctorum) die Sassanidenkunst fast unverändert wieder auferstanden. Vergleicht man diesen Stoff mit dem Pegasusfragment aus Antinoe (s. Abb. 48), so ergiebt sich ohne weiteres, daß die einfache Reihenordnung der Tierbilder ohne ornamentale Einfassung, die frontale Flügelstellung, der Bänderschmuck und die bunten Flecken der Pferdehüften auf den Sassanidenstil zurückgehen. Man muß schon sehr genau zusehen, um zu erkennen, daß der Vatikanstoff weder ein sassanidisches Original, noch eine antinoische Nachbildung ist, sondern byzantinische Arbeit des 10. Jahrhunderts. Unpersisch ist zunächst die zier; liche Form und der leichte Schritt der Pferde, dann die Zeichnung der Bänder an den Pferde: beinen nicht in breiter Schärpenform (wie Abb. 48), sondern als schmale kleine Wimpel.

I) Vgl. J. Braun, Liturg. Gewandung S. 174.

  1. Abb. des ganzen Gewandes in der Revue de l'Art chret. Band 61, S. 380.

  2. Cattaneo, fig. 18, S. 66.

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