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0039 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 39 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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noch eben erkennen. Die Kreise enthalten einen Greifen auf dem Rücken eines nieder: gebrochenen Elephanten mit hochgerichtetem Rüssel, ein Motiv, das auf den Marmorbrü: stungen von 976 in der Marcuskirche von Venedig dargestellt ist. ') Die Greifen sind nicht ohne Schwung entworfen, aber die typische Zickzackzeichnung der Mähne ist völlig miß: raten. Das Muster ist zum größten Teil nur durch Damastbindung gelb in gelb heraus: gebracht, bloß die Tierköpfe, Tatzen und die Rosetten auf den Hüften sind in Gold mit rot eingeschossen. Wie ein fehlerlos gewebter Seidendamast derselben Gattung aussah, zeigt die Hülle der Siviardgebeine in Sens (Abb. 244). Das Damastmuster großen Maßstabes — die Kreise haben 65 cm Durchmesser — steht hier weiß auf weiß, 2) Kopf und Hals der Greifen, die Tatzen, Hüftrosetten und die Schwanzquaste setzen sich in Gold und violett stark vom weißen Grunde ab. Die Verwandtschaft mit dem Karlstoff, dem der Siviardstoff in den Musterabmessungen nahe kommt, beruht nicht allein auf der Wiederkehr der Kreis: borten mit der vors der alten Herzblüte abstammenden Palmette, sondern auch auf der Zeichnung des Greifenschwanzes, der sich aus denselben Gliedern wie der Elephantenrüssel zusammensetzt. Die Zwickelfüllung des Siviardstoffes ist mit dem Liutigerstoff in Eichstädt identisch.') Die Ranken hinter den Greifen sind unsymmetrisch, lediglich nach dem Be, dürfnis der Raumfüllung angeordnet. Die Zeichnung ihrer Blätter und blattähnlichen Früchte vermittelt den Übergang zu dem stattlichen Purpurstoff der Berliner Sammlung mit gelb und schwarzen Vogelpaaren auf violettem Grund (Tafel 73 = Abb. 245), dessen Kreisborten ebensowohl mit dem Karlstoff wie mit der Bernwardskasel verwandt sind. Wenn auch die Zeichnung merklich gröber ist, kann man mit der Datierung doch schwer: lich über das 11. Jahrhundert herausgehen. Als gleichzeitig und höchst wahrscheinlich als ein Werk desselben Betriebes muß ich hier den auf Tafel 74 (Abb. 246) richtig ergänzten roten Goldbrokat anschließen, obwohl die Beschreibung eines solchen Musters im Kurien: inventar von 1295 zunächst an eine ganz beträchtlich jüngere Arbeit denken ließe. In einem achtfach ausgebogenen Rundfeld, das vielleicht schon irakenischen Einfluß verrät, schreitet auf rankenübersponnenem Grund ein goldener Greif mit Pferdekopf. Trauben, Palmetten und Granatäpfel umstellen das Feld und werden von einem Kreis eingefaßt. Die nach dem Grundsatz gleichmäßiger Raumfüllung ' erteilten Ranken hinter dem Greifen gleichen so: wohl dem Siviardstoff wie dem Vogelstoff auf Tafel 73 (Abb. 245) und mit letzterem stimmt auch der Stil der Zwickelfüllungen und sonstigen Palmetten überein. Die ganz un: gewöhnliche Einfassung der Vogelbrust auf Tafel 73 mit einer Reihe tropfenförmiger Bih dungen ist ebenso am Bauch des pferdeköpfigen Greifen zu sehen. Das ruhige Schreiten des Tieres erinnert an die byzantiner Tierstoffe persischer Richtung des 10. Jahrhunderts, an die großen Löwen= und Elephantenmuster, weicht dagegen von den bewegteren Tierbildern des 12. Jahrhunderts erheblich ab. Dem gegenüber steht nun das römische Schatzverzeichnis vom Jahre 1295, in dem unter den Rubriken „Panni de Romania" und „Xamita" ein der; artiger Stoff zweimal sowohl als roter Goldbrokat, wie in einer dem Vogelstoff Tafel 73 ähnlichen Ausführung beschrieben wird : „Item unum xamitum rubeum ad rotas cathena: tas, in quarum qualibet est grifo ad capud equinum, de auro filato de opere Romanie" und „Item alium pannum violaceum de Romania sine auro, cum rotis ad cathenas, in quarum qualibet est grifo albus ad caput equi".') Die Bezeichnung Kettenkreise ist dunkel, denn im ganzen Textilbestand des hohen Mittelalters sind Ketten als Einfassung von Tierbildern nicht nachzuweisen; erst im 14. Jahrhundert kommt etwas Ahnliches vor (vgl. Tafel 148 b). Vielleicht beziehen sich die rotae cathenatae darauf, daß bei unserem Goldbrokat wie beim

') Cattaneo S. 274: Un grifo, che montato sur un elefante, gli strappa la proboscide. ') Die Wirkung ist auf unserer Abbildung 244 etwas verstärkt.

3) Vgl. die Abb. bei Chartraire, Inv. de Sens S. 13.

') Molinier, Inventaire du Trésor du S. Siège S. 109 nr. 1191 u. S. 110 nr. 1193.

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