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0047 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 47 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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herstellt. In Kreisen von ungefähr 30 cm Durchmesser stehen auf einem symmetrisch ver: zweigten Baum Vögel mit einem offenen Flügel, der etwas unorganisch am Rücken auf: sitzt. Es sieht aus, als ob man einem älteren Muster von der Art der Tafel 73 (Abb. 245) die Flügel hinzugezeichnet hätte (Abb. 255). Die Zwickelrosetten und Verbindungs= scheiben, die Blätter, die Herzpalmetten in den Kreisbändern, die Schuppengliederung der Schwanzfedern, alles das ist typisch byzantinisch und aus dem 11. Jahrhundert herüber: genommen. Dabei hat jedoch ein Streben nach Zierlichkeit die Zeichnung in allen Teilen so weit verfeinert, daß eine Annäherung an den westsarazenischen Geschmack hervortritt. Als gleichzeitiges Erzeugnis derselben leichteren Stilrichtung gibt sich ein Damast in Utrecht (Abb. 256) ohne weiteres zu erkennen; der Siegburger Damaststoff mit lebendig bewegten Flügellöwen (Abb. 257) könnte jünger sein, wird jedoch durch die geometrische Musterung der Kreisbänder und durch die Schuppenglieder des Baumstammes für Byzanz gesichert (vgl. Abb. 249).

Im Mittelpunkt einer jüngeren Gruppe von byzantinischen Damaststoffen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts stehen die auf Tafel 79b und Abb. 258 vorgeführten Fragmente von der Bamberger Dalmatik im Münchener Nationalmuseum, die fälschlich als Leibrock, Toga oder Grabgewand Kaiser Heinrichs II (1002-1024) ausgegeben worden ist. Hier liegt ein Beispiel jener Legendenbildung vor, die der Textilforschung so häufig den Weg zur Wahrheit verlegt hat. Die ursprünglich dem Dom zu Bamberg gehörige Dal, matik besteht jetzt aus einem neuzeitigen Seidendamast mit alten Saumbesätzen in Gold: stickerei, die ins 11. Jahrhundert zurückreichen können, da sie technisch mit den gold, gestickten Bamberger Kaseln ziemlich übereinstimmen, von denen wenigstens eine inschrift; lich als Gabe Heinrichs II beglaubigt ist. Unter dem neuen Stoff fanden sich Überreste von alten weißen Seidengeweben mit drei verschiedenen Musterungen, ein Beweis dafür, daß man den wertvollen Stickereien zu Liebe schon im hohen Mittelalter das verbrauchte Meßgewand wiederholt erneuert hat. Zwei Stücke sind Atlasgewebe mit vertiefter Zeich: nung von der Art der Xantener Bernhardskasel, können also sowohl dem 11. wie dem 12. Jahrhundert entstammen. Von dem hier abgebildeten Damaststoff mit Paaren von Greifen und Löwen in Kreisen und Vögeln in den Zwickeln war noch am meisten vor: handen; er war also wahrscheinlich der letzte und jüngste unter den drei Geweben der Dalmatik. Einzelne von F. Bock der Dalmatik entnommene Fragmente sind dann in das S. Kensington Museum, nach Lyon, Nürnberg und in andere Sammlungen übergegangen. Das Muster ist zuerst von F. Bock 1859') veröffentlicht worden mit der Angabe, daß „eine glaubwürdige Tradition diesen merkwürdigen Stoff mit der Person Kaiser Heinrichs II in Verbindung setzt". In den Reichskleinodien nennt er die bischöfliche Dalmatik einen „kaiserlichen Leibrock, den die Überlieferung unangefochten als Tunica S. Henrici impe= ratoris bezeichnet". Bock brauchte damals für die große Veröffentlichung der Reichs: kleinodien Kaisergewänder und hat deshalb, gleichwie er die von Heinrich II der Bam: berger Kirche gestiftete Kasel mit dem gestickten Orbis terrarum in einen Kaisermantel ver; wandelte, auch die Dalmatik aus Bamberg unbedenklich zum Leibrock des Kaisers gestempelt. In Wahrheit ist keine Beglaubigung dafür vorhanden, daß die Dalmatik mit den Schen; kungen Heinrichs II an das Bamberger Hochstift zusammenhängt, obgleich, wie gesagt, die Stickerei in diese Zeit zurückreichen mag. Trotzdem hat sich die bei Bock doch noch hypothetische „Überlieferung" in J. Lessings Beschreibung unserer Tafel 79b bereits zu der bestimmten Behauptung verdichtet, daß der abgebildete Damaststoff „vom Gewande Hein; richs II aus dem Grabe im Dom zu Bamberg stammt". Damit wäre denn die Entstehung des Gewebes vor 1024, allerdings im Widerspruch mit der sonstigen Stilentwicklung, ge=

1) Reichskleinodien S. 189 u. T. 49 und „Musterzeichner des Mittelalters" S. 4, T. 2, hier in willkür: lich erfundener Buntheit.

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