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0048 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 48 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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sichert gewesen. Es ist indes ein einwandfreies Zeugnis für die wirkliche Herstellungszeit vorhanden. Als im Dom zu Trier 1876 das Grab des Erzbischofs Arnold I (1169-1183) geöffnet wurde, hat ein zuverlässiger Augenzeuge, Wilmowsky, die Muster der Pontifikal, gewänder aufgenommen und seine zwar unvollständigen, aber hinreichend deutlichen Zeichnungen veröffentlicht.') Das Obergewand des Erzbischofs zeigt gelb auf purpurrot eine Variante unseres Damastmusters, und zwar in gröberer Ausführung gleich dem Frag: ment aus Andechs auf Tafel 79a. Ein kleines Stück des Trierer Stoffes ist noch in einem

Handschrifteneinband der Würzburger Bibliothek erhalten, ein anderes im S. Kens. Museum. Diese derberen Nachbildungen des feinen byzantinischen Damastmusters sind dem Poten;

tianusstoff in Sens (vgl. Abb. 211) nahe verwandt, also wahrscheinlich in Sizilien gewebt und ihrer Vorlage naturgemäß gleichzeitig. Mit dieser Datierung auf das späte 12. Jahr: hundert stimmt der zierliche Stil des Münchener Damastes und die im 11. Jahrhundert noch unbekannte Verteilung der Kreise in versetzten Reihen überein. Daß der Damast selbst nicht orientalisch, sondern byzantinisch ist, lehrt das Muster: die geometrische Polygonal, füllung der Kreisbänder ist uns zuerst auf den Adlerstoffen aus Vich (s. Tafel 77, Abb. 249) und Salzburg (s. Abb. 254), dann auf dem Siegburger Damast (s. Abb. 257) begegnet, im Orient dagegen nicht nachweisbar. Ferner sind Haltung und Bewegung der adossierten Löwen; und Greifenpaare in dem genannten Vicher Doppeladlerstoff Tafel 77 (Abb. 249) bereits unverkennbar vorgebildet.

Damastgewebe solcher Art müssen im Abendland sehr verbreitet gewesen sein, weil sie gleich den einfarbigen Atlasstoffen der Willigisgruppe einer strengeren kirchlichen Auf, fassung, wie sie damals die Zisterzienser vertraten, am besten entsprachen; Wiederholungen und Spielarten des Münchener Musters sind in Nürnberg, Lyon, London und im Cluny= Museum vorhanden.2)

Die Häufigkeit der einfarbigen, vorwiegend weißen Damastseiden könnte sogar die Vorstellung erwecken, als ob der griechische Geschmack um 1200 sich von den farben, reichen Geweben mit kräftiger Musterung übersättigt abgewandt habe. Doch trifft das schwerlich zu. Die mehrfarbigen Gewebe gingen neben den Damasten weiter, und wenn auch wenig byzantinische Originale erhalten sind, so ermöglicht doch ihr Einfluß auf die Weberei Italiens und Regensburgs im Verein mit den Schatzverzeichnissen des 13. Jahr, hunderts Rückschlüsse auf ihre Beschaffenheit. Eins der bedeutendsten Denkmäler spät; byzantinischer Webekunst ist die gut erhaltene Ivokasel in Louannec (Diöc. S. Brieuc). Auf violettem Grund stehen in Gold gewebt gegenständige Paare steigender Greifen von prachtvoller Stilisierung, ohne ornamentale Umrahmung einfach aneinandergereiht (Abb. 259).3) Die Kasel soll der Ortspatron S. Ivo, der von 1293 bis 1303 in Louannec wirkte, getragen haben; sie scheint jedoch älter zu sein, etwa aus der. Zeit um 1200, da das Muster, obschon flüssiger und schwungvoller entworfen, doch noch manche Anklänge an den Stil des 11. Jahrhunderts fortführt.

Wenn in den byzantinischen Tiermustern nach dem Verschwinden der persischen Fabelwesen nur noch Greifen, Löwen und Vögel zu sehen sind, so beruht das nicht auf Zufällen der Erhaltung, sondern es entspricht dem wirklichen Motivenschatz der Brie: chischen Weberei im 12. und 13. Jahrhundert. Das päpstliche Inventar von 1295 gewährt ausgiebigen Aufschluß über die bei der Kurie, sicherlich einem der stärksten Abnehmer,

  1. Wilmowsky, Die Grabstätten der Erzbischöfe im Dom zu Trier 1876, T. 6 u. 7; danach Dreger, T. 91 a.

  2. Zwei Varianten abgebildet Dupont-Auberville L'Ornement des Tissus, T. 6.

  3. Eine photogr. Abbildung der ganzen Kasel in dem Tafelwerk „Trésor des églises et objets d'art français, Expos. au Trocadero 1889, III"; eine Musterskizze bei Rohault, La Messe VIII T. 608, Text VII S. 170.

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