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0052 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 52 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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anglicanum, den herrlichen frühgotischen Nadelmalereien englischer Arbeit aus farbiger Seide auf Leinengrund.') Von den Geschenken Papst Bonifaz' VIII haben sich in Anagni eine in späterer Zeit etwas beschnittene Kasel, eine Dalmatik und ein Chormantel aus dem vorgenannten Satz erhalten, wertvolle Denkmäler auch für die Geschichte der Weberei (Abb. 260). Denn die goldgestickten Kreise mit Greifen, Doppeladlern und Papageien: paaren wiederholen offenbar ein rapportierendes Webemuster, das nach Stil und Inhalt ebensogut byzantinisch sein könnte. Es lehrt, daß die Seidenkunst Cyperns mit dem Muttergewerbe in Byzanz mindestens bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts Hand in Hand gegangen ist.

Die Goldfäden des Mittelalters.

Vergleicht man die Beschreibungen von Seidenstoffen in den Schriftquellen des hohen Mittelalters mit den erhaltenen Geweben, so fällt sofort auf, daß unter den ersteren die golddurchwebten Stoffe viel häufiger sind als unter den letzteren. Goldstoffe wurden schon im Altertum im hellenistischen Kunstbereich gewebt und der Eintritt der Seide ins Mittelmeergebiet hat die Verwendung von Goldfäden weder auf der europäischen Seite, noch im Orient eingeschränkt. Aber alles, was wir an spätantiken Seidenstoffen besitzen, und weiter der ganze Bestand aus Byzanz, Persien, aus dem mittleren und westlichen Islam: gebiet bis zum Jahr 1000 entbehrt der Goldfäden vollständig. Abgesehen von einigen bescheidenen spätantiken Überbleibseln sind alle Goldstoffe des ersten Jahrtausends ver= nichtet. Die Ursache kann nicht zweifelhaft sein; sie liegt in der Beschaffenheit des bis dahin allein gebräuchlichen echten Goldfadens. Das ungarische Nationalmuseum hat von einem spätantiken Goldstoff, der aus einem Sarkophag zutage kam, mit knapper Not ein handgroßes Stück vor dem Schmelztiegel gerettet. Auf einem zarten Netz kaum sichtbarer Fäden ist eine weibliche Figur im Stil des 4. oder 5. nachchristlichen Jahrhunderts nur aus Goldfäden dargestellt. Die Technik und das Motiv tun hier nichts zur Sache; zu bemerken ist nur, daß die Fäden aus dünnen Streifen puren Goldes gefertigt sind. Außerdem besitzt die Berliner Stoffsammlung einige Stücke spätantiker Wollwirkereien, in welche goldene Rosetten eingearbeitet sind. Auch hier besteht der Goldfaden aus schmiegsamen Streifen gediegenen Feingolds, die eine weiße Leinenseele dicht umwickeln. Solche echten Gold: fäden hat, antikem Brauche folgend, das frühe Mittelalter verwendet und da das Gold seinen Wert behielt, auch wenn der Stoff abgetragen und verschlissen war, so hat man später die alten und verbrauchten Goldbrokate aufgelöst, verbrannt oder sonstwie zerstört, um den Goldgehalt herauszuziehen.

Mit dem Beginn des 11. Jahrhunderts erscheint nun, zuerst in Byzanz, dann in Anda: lusien (s. Tafel 42, 43), später im Irak (s. Tafel 36, 38), in Sizilien und anderwärts ein neuer Goldfaden von so geringem Metallgehalt und Wert, daß der Anreiz zur Vernichtung un, brauchbar gewordener Brokatstoffe fortfiel. Die Beschaffenheit dieses Gespinstes ist längst bekannt: Um Kernfäden aus Leinen, seltener aus Seide oder Baumwolle, sind schmale Streifen aus dünner weißlicher Darmhaut oder ähnlichen tierischen Häutchen gewickelt, die auf der Außenseite mit dünnstem Blattgold, sogenanntem Goldschlägergold oder aurum bat: tutum vergoldet sind. Die Erfindung dieses Gespinstes hängt offenbar mit der Erzeugung des Blattgoldes zusammen, das zwischen ähnlich feinen Membranen, den Goldschläger: häutchen, geschlagen wird. Die Vorzüge gegenüber dem echten Metallfaden waren nicht gering: Die Fäden waren leicht, schmiegsam, bequem zu verweben und vor allem so viel wohlfeiler, daß die Brokatweberei gewaltig zunahm; aus dem späteren Mittelalter sind uns daher viel mehr Brokate als reine Seidengewebe erhalten. An lauterem Glanz freilich konnte das mild schimmernde aurum filatum mit den echten metallischen Goldfäden, dem

1) Vgl. Illustr. Gesch. d. Kunstgewerbes I, S. 337.

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