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0057 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 57 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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sichere Zeugnis nennt das Kurieninventar einen Goldstoff aus Salerno mit Hirschen und Blattwerk.') Für die sehr verbreitete Annahme, daß Seidenweber aus Palermo, durch die angiovinischen Kriegszeiten aus der Heimat vertrieben, ihre Kunst nach den oberitalie nischen Städten verpflanzt hätten, ist keinerlei quellenmäßige Bestätigung beizubringen. 2) Auch stimmt das gar nicht mit der Zeitfolge überein. Denn Lucca und Venedig betrieben die Seidenweberei unzweifelhaft schon vor 1250, als Sizilien noch unter Friedrich II die Zeit seiner höchsten Wohlfahrt erlebte.

Als die frühesten Erzeugnisse Oberitaliens gelten allgemein die Stoffe mit jenen frei geordneten Mustern aus vielerlei Jagdtieren, Bäumen, Burgen, Schriftbändern und anderen Motiven, die auf unseren Tafeln als „arabisch.italisch" bezeichnet und dem 13. oder 14. Jahrhundert zugeschrieben werden. Damit hat aber die italienische Weberei keines; wegs begonnen. Die ungebundene Musterung mit ihrem unendlichen Erfindungsreich, tum ist allerdings die glänzendste Neuschöpfung der italienischen Seidenkunst; aber diesem frühgotischen Seidenstil des 14. Jahrhunderts ist auch in Italien bis 1300 eine erste Periode fruchtbarster Tätigkeit vorausgegangen, während der, genau so wie in Byzanz und im Orient, noch der strenge Seidenstil des hohen Mittelalters mit seinem Kreisschema und Tierpaaren geherrscht hat. Wir haben dafür zwei vollgiltige Beweis: mittel: Einmal die Musterbeschreibungen in den Inventaren von 1295 (Rom, London, Anagni), dann die spätromanischen Seidenstoffe selbst, die in großer Zahl, wenn auch oft in unansehnlichen Stücken erhalten sind. Neben den italienischen Stoffen dienen zur Vervollständigung des Stilbildes die danach vorzuführenden Regensburger Gewebe des 13. Jahrhunderts, die einen Rückschluß auf ihre vornehmlich venezianischen Vorbilder gewähren.

Das römische Inventar enthält luccanische und venezianische Seidenstoffe, von denen einige schon im Jahre 1295 als alt bezeichnet werden, in großer Zahl. So sind unter der Nummer 1222 nicht weniger als „112 Stoffe aus Lucca und Venedig mit Gold und ohne Gold mit verschiedenen Mustern, alte und neue zusammengerechnet", auf= geführt.3) Bei vielen Einzelstücken sind die Muster beschrieben; nicht eines ist dar: unter, das schon auf den freien Stil der Frühgotik bezogen werden könnte. Es über. wiegt vielmehr unter den Panni lucani weitaus das alte, damals hauptsächlich von By, zanz und Cypern gepflegte Schema der Kreisfelder mit Paaren von Greifen, Löwen und Vögeln. 4)

') Inv. nr. 958: „Item tunicam et dalmaticam de panno Salernitano cum cervis et foliis auri."

2) Vgl. Migeon, Les arts du tissu S. 62. Auch Hampe, Gewebekatalog S. 77 bringt diese scheinbar auf urkundlicher Nachricht beruhende Ansicht und nennt sogar das Jahr 1248 als den Zeitpunkt, an dem „die Luccheser sizilianische Seidenweber in Dienst genommen hätten, wodurch eine rasch aufblühende Seidene industrie in Lucca begründet wurde". Ferner sagt J. Lessing im Führer durch die Stoffsammlung 1890 S. 20: „Im 13. Jahrhundert beginnen die italienischen Städte, als erste wird 1248 Lucca genannt, durch Herüber= holen sizilianischer Seidenweber eine eigene Industrie zu begründen." Auf S. 21 fügt Lessing noch hinzu, daß die Weber mit ihrem Handwerkszeug überführt worden seien. Alle diese bestimmt und vorbehaltlos aufgestellten Behauptungen entbehren in der Tat jeglicher Stütze; sie haben nichts hinter sich als eine miß. verstandene Äußerung Francisque%Michels I S. 87, der in einem Satz sowohl Lucca als den erwähnten vene- zianer Erlaß über den Seidenzoll vom Jahr 1248 zusammen genannt hatte.

°) Molinier, Inv. nr. 1222: Item centum XII pannos lucanos et veneticos cum auro et sine auro ad diversa opera, computatis novis et veteribus.

') Inv. nr. 823: Dorsale de panno lucano cum rotis ad grifones, in quibus (d. h. in den Kreisbändern)

sunt scuta ad arma Sabellensium; nr. 1218: duos pannos lucanos rubeos cum rotis in quarum qualibet sunt duo grifones, et in circuitu (den Kreisbändern) sunt scuta ad arma Sabellorum; nr. 1223: Unum alium pan, num sine auro cum rotis in quarum qualibet sunt duo grifones jalli; nr. 1224: Unum pannum de serico di, versorum colorum cum rotis in quarum qualibet sunt duo ayes ad aurum; ähnlich ferner die Nummern 1225, 1227, 1229.

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