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0073 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 73 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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schmalen zurückgelegten Ohren bereits in bester Form vorhanden. Andere Merkmale der luccaner Gazellen, die unnatürliche Überkreuzung der Vorderfüße und die arabeskenhafte Fortführung der Schenkellinien in den Körper hinein, sind an den Gazellen des spanischen Damastgewebes Abb. 191 (Tafel 44 a) vorgebildet. Dieser Stoff, der den luccaner Diaspern zeitlich nahe steht, denn als Gegenstück der Edmundskasel (vgl. I S. 118) gehört er bestimmt ins 13. Jahrhundert, läßt zugleich den künstlerischen Abstand ermessen, der die italieni, schen Gewebe von ihren muslimischen Vorbildern trennt. Von dem wundervollen Linien; schwung der sarazenischen Gazellen haben ihre luccanischen Abkömmlinge nichts geerbt; die pfostenförmigen Beine (vgl. insbesondere Abb. 277), die Arabesken auf den Hüften, auch das Rankenwerk zwischen den Tieren sind versteift und vergröbert. Dadurch werden schon die älteren, noch um 1300 anzusetzenden Gazellenstoffe, wie Tafel 85 und 86, als italienische Erzeugnisse gekennzeichnet.

Den massenhaften Erwähnungen der Diasperstoffe in den Schriftquellen entspricht die Menge der erhaltenen Gewebe. Vollständige Meßgewänder oder große wohlerhaltene Tücher besitzen das Historische Museum in Bern, der Aachener Münster, die Marienkirche in Danzig, das Kunstgewerbemuseum in Rom, der Domschatz von Sens, die Opera del duomo zu Siena und das Bischöfliche Museum in Vich. Kleinere Stücke finden sich in den meisten Stoffsammlungen; Berlin hat elf, Lyon fünf verschiedene Muster; auch das Düssel, dorfer Gewerbemuseum ist damit reich versehen. An datierten Stoffen ist kein Mangel; die Kirche S. Domenico zu Perugia bewahrt mit den Grabgewändern Benedicts XI (-~ 1304) die Schuhe des Papstes, aus dem T. 86 abgebildeten weißen Damast gefertigt; das christliche Museum des Vatikans die ähnlich gemusterte Mitra aus dem Grab Papst Jo, hannes XXII (I. 1334); das Cluny,Museum einen Schuh des heiligen Arnold de Tia (1- 1333); die Kasel in Siena wird dem S. Bernardin (1415-1444) zugeschrieben, könnte aber aus älterem Stoff gefertigt sein. ') Die Kasel in Vich wurde der Kathedrale daselbst von dem Bischof Miguel de Ricoma (-- 1361) nebst anderen Gewändern aus demselben Stoff „de panno viridis coloris de serico, cum imaginibus avium et animalium habentium capita et pedes de filis aureis, vocato diaspre" vermacht. Ihr Muster gleicht genau dem Aachener Stoff (Abb. 277), ist aber einfarbig in grünem Damast gewebt.2)

Bei einer Lebensdauer vom 13. bis ins 15. Jahrhundert haben die luccanischen Diasper, muster natürlich mancherlei Wandlungen durchgemacht. Auf der ersten Entwicklungs, stufe unfreier Nachahmung stehen die Stoffe Tafel 85 und 86, die nur unwillkürlich infolge geringeren Könnens, nicht aber aus künstlerischer Absicht vom rein sarazenischen Stil sich entfernen. Die Herstellungszeit um 1300 wird durch die Pontifikalschuhe Benedicts XI (gleich Tafel 86) festgelegt. Die Schuhe sehen heute noch wie neu aus, sind also wohl erst 1304 zum Begräbnis des Papstes verwendet worden. Mit dem Abschnitt Tafel 85 (Abb. 275) stimmt das Pluviale des römischen Kunstgewerbemuseums aus verblaßt rotem Damast überein. Nächst verwandt ist die weiße Kasel des Berner Museums'), bei der die Gazellen durch zweiköpfige Löwen ersetzt sind. In dem roten Damast zu Sens, mit gelben Köpfen und Klauen, einem Prachtstück von 186 cm Länge (Abb. 276) regt sich kräftig die eigene Erfindung der Italiener. Die Gazellen tragen Kronen,') auf dem Ornament zwischen ihren Füßen erscheint die heraldische Lilie, und die Papageien mit aufgerichteten Flügeln sind durch einen Schlangenleib in Basilisken verwandelt, ein bei den italienischen Muster, zeichnern schon im 13. Jahrhundert beliebtes Fabelwesen, das hier verkleinert auch über den Gazellen angebracht ist. Der Aachener Stoff (Abb. 277) rot auf grün mit dem typi,

  1. Braun, Liturg. Gewandung S. 187.

  2. Vier Abbildungen im „Museum, Revista mensual de Arte espagnol, Barcelona 1911 nr. 10. Abgeb. J. Stammler, Der Paramentenschatz im Museum zu Bern, S. 43. 1) Vgl. die italienischen Stoffe des 13. Jahrhunderts mit gekrönten Tieren, Katalog Errera S. 31.

Falke, Scidenweberei.

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