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0074 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 74 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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schen Goldeinschlag') bringt in den gezackten Greifenflügeln mit Pfauenaugen und den umeinander gewundenen gekrönten Schlangen inmitten der Spitzovale neue italienische Elemente, während der polygone Stern zwischen den Pfauen noch entschieden spanisch; islamisches Gepräge aufweist. Das Muster ist wohl noch in der ersten Hälfte des 14. Jahr: hunderts entstanden, hat aber lange vorgehalten. Der Nürnberger Stoff auf Tafel 87 a wiederholt es unverändert, aber ganz in Gold auf rotem Grund, also in einer Textur, die bei den luccanischen Brokaten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vorherrscht. Die rotgrüne Kasel der Danziger Marienkirche, deren Muster Tafel 88 (Abb. 278) wiedergibt, führt die Aachener Darstellung weiter in die italienische Formensprache hinüber. Die Pfauen und Greifen sind sich ziemlich gleich geblieben, aber an Stelle der arabeskenhaften Ranken in den Spitzovalen tritt frühgotisches Weinlaub, ein Motiv, das nach Ausweis des S. Peterinventars von 1361 die luccheser Weber auch als selbständiges Muster verarbeiteten (vgl. Tafel 90 a). In anderer Weise hat das Düsseldorfer Diaspergewebe Tafel 87 b (Abb. 279) das sarazenische Muster in christlichem Sinne aufgefrischt: aus der Gazelle ist, wozu schon die typische Verkreuzung der Vorderfüße aufforderte, ein Lamm Gottes geworden, und die Spitzovale werden von einem gotisch gezackten Blattkranz umzogen. Solche Agnus dei: Stoffe waren im Schatz von S. Peter 1361 schon vorhanden: „planeta de diaspero albo ad papagallos cum capitibus, rotunditatibus alarum et pedibus de auro et agnos dei cum capi: tibus et pedibus et crucibus de auro, cum aurifrisio de opere Lucano". Sie werden später noch im Inventar der Kathedrale von Angers im Jahre 1424 unter anderen Diaspergeweben aufgeführt: Pannus in campo rubeo ad agnus dei et ayes virides cum capitibus deauratis.2)

Auch sonst zeigt sich die Neigung, die Gazellen zu beseitigen; ein grüner Damast im Bargello zu Florenz trägt an ihrer Stelle Leoparden, die aber noch die Gazellenhufe beibehalten haben, und auf einem späten Stück aus dem 15. Jahrhundert erscheinen Hirsche mit einem Kruzifix zwischen dem Geweih und einem Spruchband mit der Aufschrift „Gave me pro severis".3)

Eine Dalmatik in Stralsund Tafel 89 gibt in abweichender Textur eine bereits der Renaissance nahestehende Abform wahrscheinlich venezianischer Arbeit. Pelikane als Symbol der Charitas haben die Pfauen ersetzt und zwischen den Vierfüßlern erscheint ein Renaissancemotiv, Vasen mit Rosenzweigen. Da Renaissanceformen erst während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in die Weberei eindringen, kann der Stoff nicht viel vor 1500 gewebt sein.

Neben solchen Luccadiaspern, die trotz italianisierter Einzelheiten am sarazenischen Grundschema und an dessen Maßstab festhalten, entstanden schon im 14. Jahrhundert freiere Abwandlungen, die schließlich in kleine Streumuster endigen. Der Brokat Tafel 90 c (Abb. 280) verbindet in echter Diaspertextur und der üblichen Färbung rotgrün die typischen Spitzovale mit Tierpaaren kleinen Maßstabes, von denen die goldköpfigen Stiere immerhin noch den Gazellen ähneln. In dem rotgrünen Seidenstoff Tafel 90 d sind die Spitzovale bereits in Bäumchen aufgelöst und nur die dazwischen verstreuten Hirsche und Basilisken erinnern an den Ursprung des Musters.') Bei dem damit verwandten Damast Tafel 90 b werden auch die letzten Spuren durch neue Motive verdrängt. So weit das kleinliche Streumuster Tafel 90 d von den großen Diaspergeweben entfernt scheint, ist es doch noch während ihrer Blütezeit in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden. Denn ein ganz ähnliches Muster trägt eine Kasel von weißem Damast aus Brienon in Sens,

') Farbig in Mélanges d'archeol. II T. 13, 14. — Ein großes Stück desselben Stoffes aus Osnabrück im Germanischen Museum, Hampe Katalog nr. 403.

  1. Gay, Glossaire S. 574.

  2. Im Bargello und im Kunstgewerbemuseum Paris. ') Zu dieser sehr häufigen Gattung gehört Dreger T. 122.

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