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0079 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 79 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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die durch das Stifterwappen der Blanche von Navarra (1349-1398) zuverlässig datiert wird (Abb. 281)»)

Im 15. Jahrhundert ist von den goldbroschierten Diaspern nicht mehr viel die Rede, getragen wurden sie aber noch immer. Beweis ihre Darstellung auf Gemälden des Gio: vanni Bellini (t 1516)2) und seines Schülers Francesco Bissolo (tätig bis 1530).3) Sie haben also vereinzelt noch die Spätgotik überdauert als Zeugnisse für die Vielseitigkeit der italienischen Seidenkunst des Mittelalters, die neben den vorherrschenden Stilrichtungen der Früh: und Spätgotik auch schwächeren Strömungen islamischen Ursprungs Spielraum gewährte.

Die selbständig italienischen Muster romanischer Zeit.

Nach dieser Überschreitung der Grenzen des hohen Mittelalters führen uns die nächst; folgenden Stoffe wieder weit ins 13. Jahrhundert zurück. Ihre „Selbständigkeit" als Gat, tungsmerkmal ist nicht so aufzufassen, als ob es sich um völlig neue, von fremden An% regungen unberührte Erfindungen handelte. Sarazenische, sizilianische und byzantinische Elemente sind auch hier vorhanden, bloß haben die italienischen Weber sie so weit umge; staltet, daß eigentümliche Muster daraus entstanden sind. Dabei war vielleicht weniger die Absicht der Neuschöpfung wirksam, als vielmehr das Unvermögen noch ungeschulter Musterzeichner, es den aus alter Kunstübung erwachsenen Vorbildern gleichzutun.

Daß der Pfauenstoff Tafel 91 c gleich der früher erwähnten Nachahmung des Toulouser Prachtgewebes (vgl. Abb. 205 u. 207) ein palermitanisches Motiv wieder: holt, ist ohne Weiteres ersichtlich, und ich halte ihn wegen der griechischen Farbenwahl — schwarzblau auf purpurrot, ähnlich dem Hexenstoff in Vich — für einen sizilianischen Spätling des 13. Jahrhunderts. Dagegen ist das gelb und rote Pfauenmuster Tafel 91 d (Abb. 282) in der üblichen Zweifarbigkeit vieler frühitalienischer Stoffe mit den holprig gezeichneten Pfauenschweifen und den an romanisches Schmiedeisen erinnernden Baum: formen bereits gründlich wenn auch ungewollt italianisiert. Ebenso haben die Vogel: paare und spitzovalen Blüten des rot und gelben Stoffes Tafel 91 b (Abb. 283) die sarazenisch;sizilianische Eleganz mit steifer Unbeholfenheit vertauschen müssen. Als ein Werk desselben Betriebes erweist sich durch die gleiche Textur und die romanischen Blatt: formen das Fragment Tafel 91 a. Hier kann man schon von einem ganz selbständigen Muster reden, denn etwas Ahnliches wie die aus Rundscheiben aufsteigenden Stengel mit romanischen Blättern ist weder im Orient noch in Byzanz zu finden. Von gleicher Her: kunft ist der Vogelstoff zu S. Trond in Belgien Tafel 92 b (Abb. 284); die Stilverwandtschaft der steifen Bäumchen mit denen des Pfauenstoffes Tafel 91 d (Abb. 282) spricht laut genug für eine gemeinsame Werkstatt. Daß auch Abbildung 207, die Nachahmung des palermitaner Pfauenstoffes in Toulouse, hierher gehört, lehrt ein Vergleich mit Tafel 91 b (Abb. 283). Und an den italienischen Pfauenstoff schließen sich wieder die rotgelben Gewebe mit den gekrönten Reitern auf der Hasenjagd Tafel 81 b (Abb. 285) und mit heraldischen Löwen in schlicht gerahmten Quadraten (Abb. 286). Wenn die jagenden Könige mit dem Falken auf der Faust auch auf ein muslimisches Motiv zurückgehen mögen, so ist doch in der italienischen Ausführung vom sarazenischen Stil nichts mehr übrig geblieben. Wir haben hier also eine einheitliche Gruppe frühitalienischer Stoffe, die von sizilianischen Vorbildern ausgehen, die sarazenischen Motive jedoch alsbald in die romanische Formensprache über: setzen. Da eine der palermitaner Vorlagen, der Toulouser Pfauenstoff, aus dem 12. Jahr, hundert stammt, ist die Gattung noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu setzen, womit die primitive Zeichnung und das Fehlen des Goldfadens in der ganzen Gruppe im

  1. Rohault, La Messe VII S. 176.

  2. Beschneidung Christi, Nat. Gal. London. 2) Katalog Errera S. 41 Anm. 14.

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