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0094 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 94 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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lisken, oben die Stäbe der Rückenlehne sichtbar, darüber die Inschriften MATER DEI und IHS XPS. Damit sind wir bereits bei den Rapportmustern angelangt. Die Muttergottes allein in streng frontaler Darstellung bildet das Muster eines der Seidenschicht völlig entblößten Gewebes in Lyon') und eines etwas besser erhaltenen Stückes im Berliner Kunstgewerbe: museum. (Abb. 306). Hier sind zwischen die Marienbilder kleine Engel eingewebt in recht entarteter Zeichnung, die auf einen Spätling der Gattung schließen läßt.2)

Von regensburger Figurenstoffen weltlichen Inhalts sind drei Stücke bekannt. Die ge: krönten Reiter auf der Falkenjagd (Tafel 98a, im South Kens. Museum) gehen sicherlich auf ein italienisches Vorbild zurück; die Köpfe gleichen dem darunter Tafel 98b abgebildeten Brokatfragment von besonders grober regensburger Textur mit Königen in Kreisen, das als eine Abform der früher erwähnten venezianischen Königsmuster anzusehen ist (vgl. II S. 28). Am Jägerstoff sind wieder in dem sonst goldenen Muster die Gesichter weiß mit violetten Augen, wie am Altarbild des Bischofs Heinrich und am Wartburgstoff, mit denen die Falkenjäger auch zeitlich zusammengehören.3) Etwas älter ist die Himmelfahrt Alex, anders des Großen auf Tafel 81 a (Abb. 307). Es ist die von venezianer Stoffen entlehnte und im Anagneser Verzeichnis vom Jahre 1303 beschriebene Historia Alexandri elevati per grifos in aerem, hier in der regensburger Textur, aber noch ohne Gold, nur gelb auf rot ausgeführt, wie die früheste Gattung der italienischen Stoffe.

Von gleicher Arbeit wie der Alexanderstoff ist der gelb und rote Greifenstoff in Sieg= burg (Tafel 99=Abb. 308), eines der schönsten regensburger Erzeugnisse. Das Verdienst der kraftvollen klaren Musterzeichnung gebührt aber weniger den Regensburgern als ihren Lehrmeistern; der Stoff muß, nach den Lilien in den Zwickeln, dem Kreisband: ornament und den Greifen zu schließen, ein italienisches Original sehr genau wiedergeben, das seinerseits an byzantinische Vorbilder vom Stil der Louannec:Kasel (vgl. Abb. 259) sich anlehnte. Das setzt den Siegburger Greifenstoff in die Frühzeit des regensburger Betriebes, in die erste Hälfte oder Mitte des 13. Jahrhunderts. Gleich ausgezeichnet ist das Adler; muster der gelb und roten Dalmatik in Ambazac, dem Greifenstoff nächstverwandt. Die Zwickelfüllung ist fast dieselbe (Abb. 309).4) Nach der kirchlichen Überlieferung soll die deutsche Kaiserin Mathilde, die Gemahlin Heinrichs V, die Dalmatik 1121 dem heiligen Stephan von Muret (t 1124) geschenkt haben. Das ist, obschon es die Heimat des Ge, weben richtig treffen würde, durch den italienischheraldischen Stil des 13. Jahrhunderts vollkommen ausgeschlossen.

Der enge Zusammenhang der regensburger Tiermuster mit italienischen Ganzseiden: stoffen von der Art der Abb. 294-296, 269 (T. 82, 94 a, b) tritt bei einigen Löwenmustern großen Maßstabs augenfällig zu Tage. Wenn die Kasel der Sammlung Roden in Frankfurt a. M. (Abb. 310) mit ihren romanischen Ranken zwischen den Kreisen nicht die regens: burger Leinenkette aufwiese, wäre es rein unmöglich, sie von der Braunschweiger Kasel

  1. Rekonstruierte Abbildung bei Dupont,Auberville, L'ornement des Tissus.

  2. Venezianer Seidenstoffe mit Marienbildern, die man als Vorlagen der regensburger Gewebe vor- aussetzen darf, werden mehrfach im Inventar der Georgskirche zu Puy en Velay vom Jahre 1352 aufgeführt: Vestimenta de panno cirico hoperato ymaginibus beate Marie; aliam capam cum ymaginibus beate Marie et eius filii; vgl. Gay, Glossaire S. 573 und S. 587. Da diese Gewänder aber nicht als alt bezeichnet sind, könnten allerdings schon die frühgotischen Figurenstoffe gemeint sein. — Von byzantinischer Arbeit sind ge: webte Marienbilder, den regensburgischen sehr ähnlich, auf der Borte der luccanischen Diasperkasel in Bern erhalten; s. Stammler, Paramentenschatz im Museum zu Bern, fig. S. 43.

  3. Ein ähnlicher Stoff wird als alt mit Betonung der groben Textur noch 1419 im Besitz des Doms von Amiens verzeichnet: „Casula de rudi et antiquo panno aureo ... habet campum viridem et rotas in campo, et in medio rotarum homines equitantes portantes falcones in manibus"; Gay, Glossaire S. 574.

') Eine Abbildung der ganzen Dalmatik bei Gay, Glossaire S. 468 und Rohault, La Messe VII T. 546, S. 93.

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