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0106 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 106 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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malereil) eingravierte Darstellung eines Adlers, der einen Hasen greift, einem venezianer Brokatfragment des 15. Jahrhunderts gegenüber (Abb. 319 und 320). Trotz der flächen: hafteren Behandlung des Stoffmusters springt die Wesensgleichheit sofort ins Auge; das stilbildende Element ist hier wie dort die italienische Gotik.

Nur solange die ganz unmögliche Datierung galt, welche die Stoffe des 14. und 15. Jahrhunderts in romanische Zeit zurückversetzte, konnte der ursächliche Zusammen: hang zwischen dem Sieg der Gotik und dem fast gleichzeitigen Auftreten des freien Seiden: stils verkannt werden.

Mit der Feststellung der italienischgotischen Entstehung des Trecentoseidenstils sind jedoch seine Neuerungen noch nicht vollständig erklärt. Für den maßvollen Naturalismus der Tier; und Pflanzenzeichnung und für die Einführung neuer abendländischer Motive braucht man allerdings keinen anderen Urheber als die Gotik zu suchen. Aber die in vielen italie: nischen Mustern des 14. Jahrhunderts so stark betonte Unsymmetrie, die wilde Bewegtheit und das scheinbar ungeordnete Getümmel der Tiere und Fabelwesen, das lag offenbar nicht auf dem Wege einer normalen und von fremden Einflüssen ungestörten Gotisierung der romanischen Gewebemuster. Auf diesem Wege war Lucca zu den Weinrankenmustern mit symmetrischen Tierpaaren gekommen, nicht weiter. Die Unsymmetrie muß von außen her in den Seidenstil Italiens hineingetragen worden sein. Nicht aus dem Gebiet der islamischen Kunst, denn diese hing damals selbst noch am festesten am altüberlieferten Gleichmaß des Flächenornaments. Die Quelle liegt weiter im Osten. China ist zweifellos das Ursprungsland der heftig bewegten und unpaarig geordneten Tiermuster. In Hunderten Spätmittelalter: licher Gewebe Italiens liegen die Spuren chinesischen Einflusses, Variationen der Khilins, Fonghoang und Lotusranken, handgreiflich vor Augen. Die chinesische Kunst, durch ihre Seidenstoffe nach Europa übertragen, hat die Gotik bei der Neubildung des freien Seiden: stils befruchtet. Neben diesen beiden in mancher Hinsicht verwandten oder gleichstreben; den Kräften tritt die muslimische Seidenkunst in den Hintergrund. Sie spielt in dieser Zeit wesentlich eine Vermittlerrolle, insofern sie selbst chinesische Elemente aufnimmt und nach Italien und Spanien weitergibt. Ob jeweils chinesische Originale oder ihre muslimischen, insbesondere persischen Abkömmlinge die einflußreicheren Zubringer gewesen sind, ist nicht immer zu entscheiden. Die Frage ist auch untergeordnet, denn so oder so bleibt China der eigentliche Geber, und nur die Tatsache, daß der fernste Osten schon während der Hochblüte der Gotik wie später zur Zeit der Delfter Fayencen und des Porzellans maß: gebend in die Stilentwicklung des europäischen Ornaments eingegriffen hat, ist von kunst: geschichtlicher Bedeutung.

Um Art und Ausmaß des chinesischen Einflusses festzustellen und den durch die Mittlerrolle der islamischen Kunst etwas verdunkelten Vorgang der Übertragung aufzuw hellen, ist es am besten, zuerst eine Übersicht der chinesischen Seidenstoffe des 14. Jahr; hunderts zu geben, dann aus dem italienischen Bestand Beispiele ihrer Einwirkung auszu: wählen.

B. Chinesische Seidenstoffe des 14. Jahrhunderts.

Es erscheint zunächst seltsam, daß die uralte Seidenweberei Ostasiens, nachdem sie fast ein Jahrtausend neben der jüngeren des Mittelmeergebiets einhergegangen, die letztere erst seit 1300, im Orient vielleicht ein halbes Jahrhundert früher, in ihren Bann gezogen hat. Die Tatsache selbst ist nicht anzufechten; denn von den Seidenstoffen aus Antinoe und Alexandria an bis zu den romanischen Geweben Italiens sind im Seidenstil der Spät: antike und des hohen Mittelalters keinerlei greifbare Spuren chinesischer Formen zu ent.

1) Katalog Sammlung Lanna I, nr. 65.

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