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0113 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 113 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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ließen. Der Fonghoang, als das chinesische Symbol der Kaiserin das weibliche Gegenstück des Drachen, wurde in Persien und in Italien eines der gangbarsten Textilmotive. Wäh: rend ihn die ostasiatische Kunst von seiner Naturform, dem in China heimischen Gold= fasan durch fortgesetzte Stilisierung weiter und weiter entfernt hatte, führte ihn die Gotik allmählich wieder auf natürliche Vogeltypen zurück, so daß oft nur noch gewisse chine sische Bewegungen oder flatternde Federn die asiatische Abkunft verraten.

Eine absolute Neuerung für das Mittelmeergebiet war die chinesische Musterung durch Ranken, die nicht symmetrisch, sondern in parallelen Linien wellig aufsteigend die Fläche schräg bedecken. Die reichsten Beispiele in Riemengoldstoff, wahre Musterkarten der verschiedensten Lotusformen, bewahrt an Dalmatiken des 14. Jahrhunderts das Museum in Stralsund (Tafel 107a, b, Abb. 325), schlichtere Stücke sind aus Halberstadt in die Ber: liner und Londoner Stoffsammlungen gelangt (Abb. 326). Hierher gehört auch der Seiden: damast, aus dem — ungefähr zur Zeit Karls IV — die deutsche Krönungsdalmatik in der Wiener Schatzkammer gefertigt ist (Abb. 327).') Was Italien aus dieser spezifisch ostasia: tischen, dem traditionellen Kunstempfinden des Abendlandes ganz konträren Anregung weiterhin zu machen verstanden hat, lehren die zu monumentaler Größe gesteigerten paral: lelen Schrägranken jener spätgotischen Samtbrokate, die früher als flandrisch galten, weil die Maler des Nordens vom Genter Altar an sie am häufigsten dargestellt haben.

Von den chinesischen Tiermustern des Mittelalters ist leider nicht viel übriggeblieben; aber schon die spärlichen Reste werfen ein helles Licht auf die Quellen der unsymmetrischen Tiermuster Italiens. An erster Stelle steht eine Dalmatik des 14. Jahrhunderts im Braun schweiger Museum, die von Ranken umzogene Pfauen in zweierlei Form zeigt: in einer Reihe von der Seite gesehen in eilendem Lauf nach rechts, in der anderen von vorn, rad: schlagend und mit ausgebreiteten Flügeln nach links herabschwebend(Tafe1108b=Abb. 328). Hieran reiht sich ein hochroter Goldbrokat, an den Ärmeln und Keilbesätzen einer gleichzei tigen Dalmatik in Stralsund erhalten. Der Rapport ist wieder zweireihig: in schräger Richtung stürzen sich Löwen, mit einer Schelle behängt und mit einem flügelartigen Ansatz behaftet, von oben auf Drachen herab, die aufgerichtet sich ihnen entgegenwenden (Abb. 329). In den grundfüllenden Ranken sind die großen, zugespitzten oder rakettförmigen Blätter mit Gitterfüllung zu beachten, da sie weiterhin in Italien die Urform vieler Neu: bildungen geworden sind. Den chinesischen Drachen haben die Italiener wegen seiner un, mäßig verdrehten und verzerrten Formen nicht übernommen, und der Löwe war ihnen schon längst in edlerer Bildung geläufig; trotzdem sind in diesen zwei Chinastoffen schon die wichtigsten Faktoren für die Entstehung des ungebundenen Trecentostils vorhanden: der Mangel einer rahmenden Flächenteilung, die entschiedene Unsymmetrie, die unruhige Bewegtheit; bei den rennenden und fliegenden Pfauen die scharfe Naturbeobachtung, beim Löwenstoff das ungestüme Gegeneinanderstürmen der sich bedrohenden Tiere.

Es hat noch motivenreichere, mehr landschaftliche Seidenmuster in China gegeben, die in neueren Geweben und in der Blaumalerei der Mingporzellane nachleben, wie über: haupt die Seidenstoffe in China die ergiebigste Quelle für die Verzierung des Porzellans und der Zellenschmelzgeräte gewesen sind. z) Man ist auf Rückschlüsse von jüngeren Stoffen (vgl. Abb. 430) und von italienischen Kopien auf die mittelalterlichen Originalgewebe an: gewiesen, um eine Vorstellung von dem Formenreichtum zu gewinnen, den sie dem Abend: land zugetragen haben. Unter den altchinesischen, aber nicht erweislich mittelalterlichen Seidendamasten aus China in der Berliner Stoffsammlung ist ein verblichenes Stück (Inv. K. 6132), auf dem in landschaftlich freier Verteilung zwischen Wellen und Lotuspflanzen schwimmende Schwäne und Enten, Fische und Kraniche von naturalistischer Zeichnung

') Bock, Reichskleinodien T. 11 und T. 31; auch Dreger T. 187. 2) Bushell, Chinese art II S. 94.

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