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0161 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 161 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Löwen, aus deren Rücken Bäume hervorgehen, beschrieben.') Eine neue Variante aus den alten Motiven bringt der goldgestreifte Seidenstoff Tafel 139. Die Leoparden sind unter Wahrung der traditionellen Bewegung zu Jagdhunden, die Fonghoang zu Falken umgewandelt und aus der Lotusblüte ist ein frühgotisches Eichblattbündel geworden. Wenn nicht die typisch chinesische Kopfwendung der Raubvögel und der Flatterschweif der Fa, sanen wäre, könnte man ohne die Zwischenstufe der Abbildung 393 die Abkunft von asiatischen Elementen kaum mehr herausfinden.

Bevor wir auf dieser Entwicklungsstufe des freien Hantierens mit ostasiatischen Re: miniscenzen weitere Umschau halten, sind noch einige Belagstücke für den direkten Ein; fluß Chinas vorzubringen, als Beweis dafür, daß die Entlehnungen sich nicht etwa auf die zuerst genannte venezianer Werkstatt allein beschränkt haben. Eine Danziger Kasel von seltener Farbenpracht (Abb. 394) trägt paarweis gereiht sitzende Khilins und fliegende Fonghoang, welch letztere der italienische Zeichner, um die gewaltsame Halswendung zu motivieren, nach den Blüten schnappen läßt. Wie er auf die unchinesischen Flügel der Khilins gekommen ist, lehrt ein Blick auf die Anhängsel der Löwen des chinesischen Riemen: brokats Abb. 328. Das vegetabile Ornament ist hier gänzlich italianisiert. Der luccanische Seidendamast Tafel 140a (Abb. 395) hält bei den mit mächtigem Schwung herabstoßenden Raubvögeln und den hier schon regelrecht geflügelten Khilins die chinesischen Bewegungen fest; in der Rankenzeichnung, in den Basilisken und in der Umbildung des Lungma zu einem seltsamen Rüsseltier läßt der Zeichner seiner eigenen Phantasie freien Spielraum. (Der daneben Tafel 140b abgebildete Damast ist bereits völlig gotisiert und verrät nur in der Schrägstellung des längsgespaltenen Geästes einen entfernten Zusammenhang mit der ost= asiatischen Strömung.)

Die absichtliche Veränderung einer chinesischen Vorlage veranschaulicht eine Brokat: dalmatik in Stralsund mit Kranichen, die über längsgespaltene Schrägranken mit racketför: migen Blüten (vgl. Abb. 328) hinweg auf Löwen zuschreiten. (Abb. 396, Tafel 141.) Der Kranich ist in dieser Bewegung, knickbeinig mit schlagenden Flügeln, vom Mittelalter her: wärts eine feststehende Formel der ostasiatischen Kunst. Aber nach der chinesischen Sym: bolik, die dem Naturleben entspricht, steht er niemals einem Löwen, sondern einer Schild: kröte gegenüber, wie das auf neujapanischen Seidenstoffen zu sehen ist (Abb. 397).2) Es ist klar, daß der Italiener, da ihm die plumpe Schildkröte unverständlich oder zu künstlerischen Zwecken untauglich erschien (wie sie ja auch seinem venezianer Genossen in Abb. 385 mißglückte), sie durch ein seinem Geschmack besser entsprechendes Tier ersetzte, wobei der zottige Behang der chinesischen Schildkröte zur Wahl des gemähnten Löwen beitragen mochte. Wie lang derartige Textilmotive aus Asien auf anderen Kunstgebieten nachwirken konnten, zeigt eine Handzeichnung Leonardos, die einen Löwen und einen Basilisken kämp: fend mit den Bewegungsmotiven des Stralsunder Brokats darstellt.3)

Der Kranich erscheint in derselben Haltung wiederum auf einem fein gezeichneten luccanischen Damast (Abb. 398), der dem Orcagna (j 1368) für die Mäntel der Hauptfiguren seiner Marienkrönung als Modell gedient hat. a) Der Damast ist noch in anderer Hinsicht bedeutungsvoll, weil er augenfällig darlegt, wie der chinesische Naturalismus durch Vermitt: lung italienischer Gewebe auch in fernerliegende Gebiete der gotischen Kunst hineingetra:

') „Cappa de nachone (ein damals häufiger Stoffname) habens aviculas admodum upuparum cum leonibus viridibus, ex quorum dorso procedunt arbores virides". Außerdem ist auf dem Grabmal des Trierer Erzbischofs Kuno v. Falkenstein (± 1388) in Koblenz ein Chormantel mit ähnlichem Streifenmuster dargestellt; abgeb. Back, Mittelrheinische Kunst T. 44.

  1. In persischer Auffassung ist dieses chinesische Motiv dargestellt auf einem Buchdeckel des 16. Jahr, hunderts, abgeb. Meisterwerke muhammed. Kunst 1912, I T. 32.

  2. A. Rosenberg, Leonardo da Vinci, fig. 38.

') Nat. Gal. London, abgeb. Alan Cole S. 63; Sidney Vacher, Fifteenth century Ornament T. 1.

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