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0162 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 162 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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gen wurde. Auf einem Kirchenfenster in Bourges hat der Glasmaler dieselben Kraniche in ähnlichem Rankenwerk dargestellt (Abb. 399); seine Palmetten stimmen mit einem Sei: dendamast des Düsseldorfer Gewerbemuseums (Abb. 400), einer Variante des Berliner Stoffes, überein.l)

Von der Stralsunder Kranichdalmatik ist das in derselben venezianischen Werkstatt gewebte Brokatmuster Tafel 142b abgeleitet, mit Schwänen anstatt der Kraniche. Als Fül: lung wurden den Schwänen gotische Bandrollen mit pseudoarabischer Schrift, die hier wie sonst noch oft in italienischen Stoffen auf dem Kopf steht, beigegeben. Für diese Zutat ist ein chinesischesVorbild nicht erfindlich; ebensowenig darf man daraus auf „arabische" Vorlagen schließen, da doch die Entstehung des vorliegenden Musters aus chinesischen Motiven schritt: weis verfolgt werden kann. Auf einem Brokat des Halberstädter Doms ist das Schriftband ebenfalls zwischen zwei chinesierende, entschieden unislamische Tiere eingeschoben (Abb. 401). Ober Ursprung und Bedeutung des Ankettens der Tiere, ein in den italienischen Seidenmustern sehr oft wiederkehrendes Motiv (Abb. 402), gibt der ostasiatische Formen: schatz keine Auskunft, man müßte denn annehmen, daß die Ketten und Halsbänder eine Umbildung der flackernden Zotteln am Hals der Khilins wären.

Bei der selbständigen Verarbeitung der chinesischen Formen, der weitergehenden Um: wertung in dritter und vierter Hand, haben die Italiener neben ornamentalen Einzelheiten, wie der Lotusblüte, vor allem zwei Eigenschaften der ostasiatischen Flächenkunst als die wichtigsten Errungenschaften festgehalten: erstens das Diagonalschema aus schräglaufenden Parallelranken, zweitens die gegenseitigen Beziehungen von Tieren zu einander, die unpaarig auf zwei oder drei verschiedene Reihen eines Musters verteilt sind. Die diagonale Ordnung war der Flächenkunst des hohen Mittelalters noch gänzlich unbekannt; weder auf der abends ländischen Seite noch im vorderen Orient sind Ansätze dazu nachweisbar. Daß ihr erstes Auftreten in Persien und Italien mit der Nachahmung chinesischer Muster Hand. in Hand geht, haben die bisher vorgeführten Beispiele (Abb. 344 und 345 für Persien, Abb. 385 bis 389, 396 für Italien) mit aller wünschenswerten Deutlichkeit klargelegt. Bei fort: schreitender Italianisierung erhält sich das Diagonalschema nicht bloß als zusammenhän; gendes Rankenmuster, wie Tafel 143, sondern es bleibt auch in vielen Tiermustern und landschaftlichen Motiven latent wirksam. Auf einem Danziger Brokatmantel (Abb. 403) ergeben die Hürden und Bäumchen zusammen die diagonalen Wellen; in anderen Fällen ist zwar der Zusammenhang gelöst, aber in den Krümmungen der Bäume (vgl. T. 184 u. 188) oder in den Schwingungen der Ranken (Abb. 404) setzen sich dennoch die schrägen Wellenlinien über die Unterbrechungen hinweg fort. Wie dann die Spätgotik das Diagonal: schema zu hohen Ehren brachte, wird in einem späteren Abschnitte auszuführen sein.

Die Anpassung der ostasiatischen Tierbilder an den europäischen Geschmack vollzog sich in der Weise, daß Schritt für Schritt in realistischer Umbildung die Fabelwesen des Ostens den heimischen Tieren angenähert wurden. Da das Waidwerk mit Jagdleoparden, Falken und Hunden den Grundgedanken der italienischen Muster bildet, wurden zur Jagd gehörige Tiere gewählt oder jene in ornamentalem Betracht besonders dankbaren Formen, die Schwäne, Adler, Löwen, Basilisken, Greifen, welche die romanischen Seidenmuster Italiens dem 14. Jahrhundert vererbt hatten. So wandeln sich die chinesischen Kraniche, Fasanen und Fonghoang in Jagdfalken, Adler und Schwäne, wobei in der Regel noch ein paar Feder:

büschel oder in Laubwerk ausgehende Schweife (Abb. 405) oder gewisse Halswendungen an das überreich flatternde Gefieder und die spezifisch chinesischen Bewegungsmotive der Originale erinnern. An die Stelle der Khilins und Lungma treten Jagdhunde, Leoparden, Greifen, seltener Bären; am allerhäufigsten die wesensverwandteren Rehe, Hirsche oder

') In dieselbe Gruppe weißer Damaste gehört ein von Fischbach, T. 111 b abgebildetes Stück in Berlin mit symmetrischen Fonghoang.

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