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0167 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 167 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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ähnliche Vierfüßler. Das Khilin wird in China häufig knieend dargestellt, eine I laltung, der dort symbolische Bedeutung innewohnt.1) Daraus ist in Italien, ganz ähnlich wie in Per; sien (vgl. Abb. 344, 345), das überaus beliebte Motiv der in Hürden oder frei sitzenden Rehe und Hirsche entstanden (vgl. T. 142a), während die aufspringenden Tiere ähnlicher Bil: dung (vgl. Abb. 403, T. 144a) auf die rennenden Drachenpferde Lungma zurückgehen. Gleich den vom Fonghoang abstammendenVögeln haften auch den Abkömmlingen der Khi: lins und Lungma in Mähnen und allerlei Zotteln Merkmale ihres Ursprungs an. Die luccani: schen Tiermuster des 14. Jahrhunderts, die diese Entwicklungsstufe am besten veranschau: lichen (Tafel 144a), ordnen die Tiere nach chinesischer Art in gewissen Abständen so an, daß den Vögeln einer Reihe Vierfüßler der nächsten Reihe in schräger Richtung sich bedrohend gegenüberstehen. Wenn die Tiere in wirklichem Kampf sich anpacken (Abb. 406), liegt be, reits eine Abweichung vom chinesischen Schema vor. Der Gegensatz von Vogel und Vier: füßler, in dem die chinesische Symbolik von Fonghoang, Drachen und Khilins nachklingt, war den Italienern so geläufig geworden, daß er auch in sonst chinafreien Mustern (Abb. 407, Lucca 14. Jahrhundert; Abb. 408, Venedig um 1400; beide Brokate in Düsseldorf) bis in die Spätgotik hinein immer und immer wieder auftaucht.

Schneller und durchgreifender vollzieht sich die Europäisierung, als nach 1400 die Führung in der Seidenweberei an Venedig übergeht. Damit kommt der spätgotische Rea, lismus zum Wort, der in den landschaftlichen Mustern gipfelt. Die stilisierten Ranken wachsen sich zu Bäumen aus, die wieder die Darstellung von Erdreich, Felsen, Gewässern bedingen. Die Tiere streifen die letzten asiatischen Anhängsel ah und schließen sich zu natürlich bewegten Gruppen zusammen. Die Spätgotik hat China überwunden; allein die Befreiung von der Gebundenheit des hohen Mittelalters und die ungeheuere Bereicherung der europäischen Phantasie ist dauernd wirksam geblieben.

Neben den Tierstoffen treten die rein ornamentalen Muster, bei denen die chinesische Lotusranke in wechselnder Gestaltung das Hauptmotiv bildet (Tafel 145 und Tafel 156b), etwas in den Hintergrund. Sie müssen aber doch recht verbreitet gewesen sein, da die spä: ten Trecentomaler, in Deutschland namentlich Konrad von Soest und seine Schule (erste I lälfte 15. Jahrhunderts), sie häufig dargestellt haben. 2) Vollständige Meßgewänder sind in Danzig, Braunschweig und Stralsund erhalten. Die nicht selten in Gold einbroschierten Tiere spielen hier eine nebensächliche Rolle und müssen sich der symmetrischen Muster: anlage unterordnen (Abb. 409).

Auf Tafel 146 b ist nach einer Danziger Kasel ein Seidenstoff abgebildet, dén die eigen: tümliche Farbenstellung, dunkelgrün mit weiß auf tiefblauem Grund in eine umfangreiche Gruppe italienischer Gewebe aus der Zeit um 1400 einreiht.') Das Muster jedoch, Rosetten von künstlich verflochtenen Doppelschnüren umzogen (Abb. 410), liegt ganz abseits der I lauptströmungen des italienischen Seidenstils. Die Erklärung der Besonderheit liegt wieder in Ostasien, wo verwandte Muster (Abb. 411 und 412) noch jetzt fortleben. Wahrscheinlich ist das runde Flechtmotiv des gleichfarbigen Seidenstoffes Tafel 146a (ein ganzer Chor: mantel im S. Kens. Museum) gleichfalls aus China entlehnt, aber bereits im Sinn der Re: naissance umstilisiert. In diese Gruppe ist der Seidenstoff Tafel 124d einzureihen, der so= wohl mit Tafel 146b wie mit Tafel 146a manche Einzelheiten gemeinsam hat. Orientalische Arbeit kommt natürlich nicht in Frage; die gotischen Rosetten und pseudoarabischen Schrift:

') Karabacek, Susandschird S. 144.

") Beispiele: Gewand des S. Stephanus auf dem Verkündigungsaltar von Lorenzo Veneziano, datiert 1371 in der Akademie Venedig, Phot. Anderson 12454; von demselben Maler aus dem Jahre 1358 das Ma= riengewand auf dem Sposalizio, Akademie Venedig; auch Masaccio (1401-1428) hat in dem Fresko der Brancacci=Kapelle, die Erweckung der Thabita, ein ähnliches Lotusmuster wiedergegeben.

') Seidenstoffe dieser Färbung werden schon im Prager Dominventar von 1387 öfter beschrieben.

Falke. Seidrnw•eherei.

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