National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0189 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 189 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

schiffmuster Tafel 167 (Abb. 436) geboren, von dem Danzig eine prachtvoll erhaltene Gold: brokatkasel und einen Silberbrokatmantel besitzt. Da die Beschreibung unserer Tafel das Muster ausdrücklich als „durchaus arabisch" bezeichnet und dem 13. Jahrhundert zuweist, so muß betont werden, daß im ganzen Bereich der arabischen oder islamischen Kunst des Mittelalters nichts ähnliches zu finden ist. Nur die Schwäne mit dem Fisch im Schnabel könnte man als Entlehnung aus einem persischen Muster gleich Abbildung 345 ansehen, und die Palme ist, da ihre Krone noch das gesonderte Herzstück aufweist, leicht als eine Naturalisierung des Lotusmotivs zu erkennen, wenn man sie mit den Palmetten des Bro: kats Tafel 164 (Abb. 433) vergleicht. Das Segelschiff jedoch mit seinen Hecktürmen, Zinnen und Mastkorb zeigt den noch im 15. Jahrhundert üblichen italienischen Typus, wie er bei Carpaccio u. a. zu sehen ist; auch ein französischer oder deutscher Goldschmied des 14. Jahr; hunderts hätte es schwerlich noch gotischer gestalten können.') Und die nackten Knaben, ein völlig unorientalisches Motiv, zeigen als deutliches Merkmal ihres Europäertums jene scharfe Einschnürung unter dem gerundeten Brustkorb, die dem mittelgotischen Modeideal in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zur Zeit der engen Gugeltracht entsprach. Wenn der stilistische Zusammenhang dieses Musters mit den vorausgehenden Stoffen durch die Einführung neuer Motive etwas verdunkelt wird, so bezeugen doch ornamentale Einzel: heiten wieder die gemeinsame Herkunft; es genügt, die große Ähnlichkeit des gotischen Bäumchens am Mast der Segelschiffe mit den Bäumchen zwischen den Fabelwesen auf T. 165 anzumerken. Als ein Beispiel der Seltsamkeiten, welche die von asiatischen Bildern erfüllte Phantasie der luccanischen Musterzeichner gebar, soll noch das Muster eines roten Goldbrokatmantels in Danzig hier Platz finden (Abb. 437).2) Zwischen den üblichen Füll; motiven, Ranken mit romanisierenden Blättern, pseudoarabischen Schriftrollen, Palmetten und Vögeln von chinesischer Bewegung, fahren kleine Affen mit blauen Mützen in vier: rädrigen Schubkarren Elephanten, die statt der Stoßzähne Pfaufedern tragen. In der zweiten Reihe sieht man springende Hunde wieder mit Federn geschmückt und angebundene Affen auf ihrem Rücken. Wir werden der Hand dieses erfindungsreichen Zeichners sofort bei den unsymmetrischen Mustern wieder begegnen (vgl. Abb. 438).

Das Kennzeichen der nächsten luccanischen Stoffgruppe ist die Unsymmetrie. Sie be deutet eine jüngere Entwicklungsstufe insofern, als die unsymmetrischen Muster nicht bis zu den Anfängen des freien Stils um 1300 zurückreichen; sie treten erst in der zweiten Hälfte des Trecento hervor und halten sich noch ins 15. Jahrhundert hinein. Sie haben aber die ältere symmetrische Richtung nicht abgelöst oder beseitigt, sondern beide gehen nun, sich vermengend, neben einander her. Der Silberbrokat einer Stralsunder Dalmatik Abb. 438 mit den Affen, die aus einer Bandumschlingung heraus Hunde den von oben herab: fletschenden Pantern entgegenreichen, ist unsymmetrisch und dennoch dem Zeichner des symmetrischen Goldbrokats mit den Affenkarren (Abb. 437) zuzuschreiben. Auch unter den figürlichen Jagdstoffen gibt es symmetrische und unsymmetrische Muster von einem und demselben Zeichner. Der Goldbrokat Tafel 168 vereinigt beide Strömungen; er ordnet die Tierpaare noch gegenständig, setzt aber die Kraniche der einen Reihe mit den Hunden darüber und durch die umschlingenden Schlangen mit den Raubtieren darunter in gegen: seitige Beziehung, sodaß deren Aktion die formale Symmetrie wieder aufhebt. Die eigen: tümliche Lotusvariation ist auf dem nächstfolgenden Brokat Tafel 169a 3) in ein Zopfgeflecht umgezeichnet, das eine Burg umschließt und oben in hochfliegende Haarbüschel endigt, wie sie auf Tafel 164 und 165 vorkommen.

') Man vergleiche damit das silberne Weihrauchschiff des Doms zu Chartres, abgeb. Molinier und Marcou, Expos. rétrosp. 1900 T. 35.

  1. Das Muster ist deutlicher, aber ungenau bei Fischbach T. 22 wiedergegeben.

  2. Deutlicher bei Fischbach T. 140 a.

83