National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0206 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 206 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

ternde Gefieder der Fonghoang sind bis auf ganz vereinzelte Spuren beseitigt ; nur ausnahms, weise kommt in gewissen traditionellen Wendungen das chinesische Bewegungsmotiv noch

zum Vorschein. Der wachsende Naturalismus des 15. Jahrhunderts hat auch die Fabel,

wesen italienischer Herkunft, die Basilisken und Greifen ausgeschaltet; die Motive sind vornehmlich dem Vorstellungskreis des Waidwerks angepaßt. Die Zeichnung der Tiere

wird glatter, sie strebt nach schönen gefälligen Linien und vielleicht haben bereits Regun,

gen der Frührenaissance an dieser Geschmacksrichtung ihren Anteil. Der ostasiatische Ein, fluß bleibt in der Unsymmetrie und vor allem in der diagonalen Wellenbewegung der

Grundlinien wirksam. Das leichte grundfüllende Rankenwerk wird beschränkt; der spät, gotische Naturalismus bevorzugt die Bäume und das knorrige Astwerk. Die handgreif, lichsten Kennzeichen des venezianischen Stils bilden gewisse Pflanzenornamente, Früchte, Palmetten, herzförmig glatte oder rundlich gekerbte Blätter, die als Leitmotive durchlaufen.

An der stilistischen Einheitlichkeit der ganzen Gruppe ist kein Zweifel möglich ; nur der Nachweis, daß Venedig ihre Heimat ist, macht einige Schwierigkeiten. Denn örtlich beglaubigte Stücke sind ebensowenig wie bei Lucca vorhanden. Wenn man jedoch daran festhält, daß die mehrfarbigen Samtstoffe, die Carpaccio auf seinen Bildern dargestellt hat, venezianisch sind, weil sie auf außervenezianischen Gemälden kaum vorkommen, so kann man nicht umhin, die Tiermuster mit denselben ornamentalen Leitmotiven ebenfalls nach Venedig zu verlegen.

Als Ausgangspunkt ist ohne Rücksicht auf die Zeitfolge der Goldbrokat Tafel 184 (Abb. 465) zu wählen, von dem in Danzig noch ein Vorhang von 2:3 m Größe vorhanden ist. Der starke Gegensatz des goldenen Musters zum schwarzen Seidengrund macht ihn zum eindrucksvollsten Stück der Gattung. Ein sicheres Zeugnis für die venezianische Heimat des Musters ist der Darstellung des Bootes zu entnehmen : Die Stellung des Jagdfalken') auf dem Heck — der Poppa — ein einseitiges Ruder handhabend, stimmt vollkommen mit der allbekannten Führungsart der venezianischen Gondel überein, und das mit zwei Ausbuchtungen versehene Ruderlager ist eine typische Eigentüm, lichkeit des venezianischen Fahrzeugs. Diese durch die Enge des venezianischen Fahr, wassers begründete Form zeigen alle Gondeln auf den Kreuzwunderbildern von Gentile Bellini, Carpaccio und Mansueti in der Akademie zu Venedig und sie sind heute noch an den einfachen Barken in Venedig gebräuchlich, während die eigentliche Gondel seit dem 18. Jahrhundert ein gekrümmtes Holz als Ruderlager erhalten hat. Das sind Außerlich, keiten, aber in Verbindung mit den vorgenannten allgemeinen Gründen haben sie volle Beweiskraft. Man darf also auf dem Gondelmuster als einer sicheren Grundlage bei der weiteren Bestimmung venezianischer Arbeiten fußen. Außer der gefälligen Tierzeichnung, dem lebendigen Naturalismus der schwimmenden Schwäne und Enten, geben die Pflanzen, formen die wertvollsten Anhaltspunkte.2) Bei den grundfüllenden Ranken sind die kleinen glattrandigen Blättchen und die halbherzförmigen Arabeskenblätter der Rankenendigung als venezianisches Merkmal zu beachten. Die große, hier als Baumkrone gedachte Palmette stammt von der sinopersischen Lotusblüte ab; das macht ein Entwurf des Jacob Bellini (vgl. Abb. 484) und der damit verwandte Seidendamast Tafel 122 b ersichtlich. Diese Palmetten, form führt uns nach rückwärts zunächst zu dem Feder, und Palmettenmuster einer Brokat: kasel in Halberstadt (Abb. 466), dann zu einem Goldbrokat im Kunstgewerbemuseum

I) Wie bei den Lucchesen, vgl. T. 176, wird auch von den venezianischen Musterzeichnern der Jagd- falke durch eine am Schweif oder Fuß befestigte Schelle von den Adlern oder sonstigen undressierten Raub= vögeln unterschieden.

2) Ein Schiffchen, in dem zwei Hunde sitzen, ist auf dem Brokat T. 148b dargestellt. Ob das ver: wandte Motiv auch auf Venedig weist, ist fraglich; denn deutliche Kennzeichen venezianischen Stils sind hier nicht vorhanden.

90