National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0217 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 217 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000240
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

noch von Lucca beeinflußt, aber schon sicher venezianisch und wahrscheinlich von dem Meister des Gondelmusters, ist der Brokat eines Danziger Chormantels Tafel 188 (Abb. 480). Hier hat der Realismus des 15. Jahrhunderts aus der alten unpaarigen Gegenüberstellung von Vogel und Vierfüßler (man vgl. etwa Abb. 403) ein naturalistisches Jagdstück geschaffen auf bachumspültem Felsen hat der Hund das flüchtende Reh gepackt, dem vom Baum herab der Jagdfalke entgegenstößt. Die gefällige, von allem Chinesentum befreite Tierzeichnung, die glatten Blätter, die strahlenden Rosetten als Grundfüllung, die Schwäne im Gewässer (vgl. T. 184, Abb. 465, 477, 475, 471, 469, 482), das ist alles für Venedig kennzeichnend. Beachtenswert ist die obere Baumkrone als Übergangsform vom Lotusmotiv zum spät: gotischen Granatapfel. Ein Gegenstück besitzt das Breslauer Kunstgewerbemuseum (Inv.289c); unter einem geschwungenen Baum hat ein Jagdleopard das Reh niedergerissen, während in Strahlen ein Engel herabschwebt. Diese in Breslau einseitig geordneten Motive sind auf einem Brokatmantel in Danzig durch gegenständigeVerdopplung in ein symmetrisches Muster umgearbeitet, wobei der gotische Baum der antikisierenden Renaissancepalmette weichen mußte (Abb. 481). Derselbe Vorgang der Verdopplung eines zuerst unsymmetrischen Musters ist an der Abbildung 482, die noch manche chinesisch4uccanischen Nachklänge enthält, zu beobachten.')

Die Felderbildung des Brokats Abb. 481 aus reich ornamentierten, gradlinig geknickten Bändern führt uns zu dem Stoff mit liegenden Hirschen unter einer strahlenden Wolke in Sechseckfeldern Tafel 189 (Abb. 483). Auch ohne die Verwandtschaft mit dem Engelbrokat würde die Zeichnung der Wolke und der darüber sitzenden Adler die venezianische Er: findung verbürgen. Das Muster ist in verschiedenen Spielarten als roter Goldbrokat (Kloster Lüne in Lüneburg), als broschierter Stoff und auch in Nachahmungen des 19. Jahrhunderts verbreitet 2) und eine Hauptstütze für die Versuche, die italienischen Stoffmuster im Sinn christlicher Symbolik zu deuten.')

Eine gleichzeitige, wahrscheinlich venezianische Werkstatt, deren Muster durch un, gewöhnlich großen Maßstab auffallen, vertritt Tafel 191 mit den unter einer Palme im Ge, hege sitzenden Löwen.

Abseits der Hauptströmung venezianischer Musterzeichenkunst stehen einige Seiden: stoffe mit persischem oder doch islamischem Einschlag, die auf Jacob Bellini (um 1400 bis 1464) zurückzuführen sind. Die unendliche Fülle bilderreicher Seidenmuster, von denen gar manche, wenn sie als Handzeichnung überliefert wären, die Beachtung der Kunst: Forschung mehr als bisher gefesselt hätten, bleibt, was die Erfindung angeht, herrenloses Gut. Es gibt zwar einige dem Paolo Uccello zugeschriebene Tierzeichnungen,') andere in dem nach Giov. de Grassi benannten Skizzenbuchs) die sich mit den Seidenmustern berühren. Aber der Zusammenhang beruht mehr auf den Motiven — Basilisken, Einhorn, Jagdleopard im Gehege, Hirsche, Hunde und Affen — als auf der Darstellungsweise. Es scheint sich eher um Anregungen durch die Stoffe als um Entwürfe für solche zu handeln. Eine regel, rechte Darstellung eines spätgotischen Granatapfelmusters, bei dem sogar die Noppen des or frisé angedeutet sind, enthält das Album Vallardi mit Zeichnungen des Antonio Pisano im Louvre. Auch hier ist fraglich, ob Pisanello für die Weberei oder nach einem Samtbrokat

') Das Muster ist in dreierlei Ausführung erhalten ; in Danzig als Kasel aus grasgrünem Goldbrokat, Hinz T. 39, im Schweriner Museum als weißer Brokat und im Berliner Kunstgewerbemuseum als glatter rot%blauweißer Seidenstoff.

  1. Vgl. Dreger im Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst 1908, S. 15 und 19.

  2. In diese Gruppe fällt noch der auf Tafel 190 leider unkenntlich abgebildete Damast mit liegenden Rehen in Gehegen, Falken und Palmetten.

') Schönbrunner=Meder, Handzeichnungen V, 555, IX, 1026, 1072. ') Venturi, Storia VII', fig. 143; Burlington Magazine XVIII S. 149.

93