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0218 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 218 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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gezeichnet hat. Der einzige namhafte Künstler, von dem man mit ziemlicher Sicherheit be, haupten darf, daß er als Musterzeichner tätig war, ist Jacob Bellini. Sein Skizzenbuch im Louvre birgt auf zehn Seiten Zeichnungen von Webemustern; der Künstler hat sie jedoch später, als er auf diese Leistungen keinen Wert mehr legte, mit grauer Deckfarbe überstrichen, um das gute Pergament zu figürlichen Zeichnungen wieder zu verwenden. Nur eine Seite mit drei Skizzen ist sichtbar geblieben (Abb. 484). Hier liegen offenbar wirkliche Entwürfe für die Weberei vor, die allerdings nicht ganz bis zur Ausführbarkeit ausgereift sind; bloß das Wellenbandmuster rechts ist vollständig bis zur Wiederkehr des Rapports durchgeführt. Schon die Menge der sonst noch im Skizzenbuch verborgenen Textilzeichnungen und die kleinliche Manier sprechen laut gegen Studien oder gelegentliche Aufnahmen des Malers nach fertigen Stoffen.') Kopien nach vorhandenen Stoffen können die Belliniskizzen schon deshalb nicht sein, weil die Kreiseinfassung, die er zweimal wählt, in der Seidenweberei da; mals, während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, gänzlich ausgestorben war. Es ist der Renaissancezeichner Bellini , der Schüler Gentiles da Fabriano , der außerhalb der Hand, werkstradition stehend, seiner persönlichen Kunstrichtung gemäß zuerst wieder die un, gotische Kreisform in die Seidenweberei hineinbringt, nicht ganz ohne praktischen Erfolg, wie wir gleich sehen werden. Als ein führender Meister der Musterzeichnerei erweist sich Jacob Bellini in den sichtbaren Skizzen nicht; es sind im wesentlichen bekannte Motive, teils luccanischer, teils venezianisch,persischer Richtung, die er in einer ungewöhnlichen, aber für die Praxis nicht sehr glücklichen Art zu neuen Mustern zusammenstellt. Demgemäß sind auch nur wenig ausgeführte Seidenstoffe seines Stils aufzufinden. Das in der Weberei seltene Schuppenmotiv der beiden linken Skizzen (bei Golubew Tafel 95 in Originalgröße) kommt auf zwei venezianer Stoffen Tafel 169 b und Tafel 187 vor, die aber im übrigen mit den Belliniskizzen keine Ähnlichkeit haben. Am allernächsten steht seinen Entwürfen der weiße Seidendamast Tafel 122 b (Abb. 485) mit einer eigenartigen Variation des Spitzoval, schemas. Durch Einziehung der unteren Spitze jedes Feldes sind verkehrte Herzformen entstanden. Die zierlich geblümte Wellenranke, die auf der Zeichnung links unten das Kreisband innen begleitet, umzieht auch auf dem Damast den Rand der Felder mit den Lotuspalmetten. 2) Der Stil der jagenden Tiere und Schwäne stimmt beiderseits überein, ebenso die pseudoarabische Schrift in Ovalfeldern. Ist der Damast von Jacob Bellini , wie ich nicht zweifle , so muß ihm auch der stilgleiche Brokat mit dem geflügelten Kopf des Marcuslöwen (Abb. 486) zugeschrieben werden. Hierbei ist eines Stoffmusters zu gedenken, das nur gemalt auf einem Bild des Cölner Bartholomäusmeisters in der Münchener Pina, kothek (Inv. 49) überliefert ist. Es vereint die Lotuspalmette des Damastes Abb. 485, die Löwenmasken von Abb. 486 und die Bellinische Schuppenfüllung in Kreisfeldern, also in der den Belliniskizzen eigentümlichen Form (Abb. 487).3) Somit ist auch hier ein Entwurf Jacob Bellinis vorauszusetzen. Der Zeitunterschied zwischen Bellini und dem Bartholo, mäusmeister ist kein Gegengrund, denn eine Lebensdauer von einem halben Jahrhundert ist bei Seidenmustern des Mittelalters ganz gewöhnlich. In einigem Abstand folgt der Seidenstoff Tafel 192 (Abb. 488), dessen venezianische Herkunft schon die Form der Baum, krone aus rundgekerbten Blättern und glatten Fliederblättern bezeugt. Mit der Wellen, bandskizze Bellinis gehen die reichberandeten Bänder mit laufenden Tieren und einee, schobenen kleinen Kreisen zusammen; auch der auf einem niedergeschlagenen Reh stehende

') Zu letzterer Ansicht ist Golubew, der Herausgeber der Skizzenbücher J. Bellinis II, T. 95 nur des- halb gelangt, weil er die Muster, wie üblich, für ältere orientalisch=italienische Stoffe des 13. bis 14. Jahr- hunderts gehalten hat.

  1. Solche herzförmigen Felder mit Lotuspalmetten sind im Pariser Skizzenbuch auf der überstrichenen Seite 51 a, Golubew T. 21 noch erkennbar.

  2. Originalaufnahme bei Scheibler=Aldenhoven, Kölner Malerschule T. 90.

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