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0228 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 228 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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geworfen, damit die Jagdfalken danach stießen.1) Die Vorliebe für natürliche Tierdarstellun: gen ohne symbolische oder religiöse Bedeutung war übrigens im späten Mittelalter keines: wegs eine vereinzelte, bloß der Seidenweberei eigentümliche Erscheinung; sie hing vielmehr eng mit den Sitten und Gebräuchen der Zeit zusammen. Abgerichtete Tiere, Jagdleoparden und Falken vor allem, gehörten in Italien und weiterhin in Burgund zum Troß und zur Kurzweil fürstlicher Hofhaltungen. Im Skizzenbuch Jacob Bellinis sieht man öfter als pro: fanes Beiwerk der biblischen oder mythologischen Vorgänge im Palasthof und in den Hallen angekettete Bären, paarweis zusammengekoppelte Leoparden, Jagdfalken mit ihrem Wärter, zahme Hirsche, Rehe, Windhunde, Pfauen.") Auch die Werke Pisanellos bezeugen den neu erwachten Sinn für das Tierleben. Da die dressierten Jagdleoparden für die Italiener eine Gabe des Orients waren, so bringt die Malerei diese und andere animalia ludicra vornehm: lich im Gefolg der drei Könige aus dem Morgenland zur Darstellung. Das beste Beispiel gibt die Wandmalerei Benozzo Gozzolis in der Kapelle des Palazzo Riccardi. Hier sind die gangbarsten Motive der späten Tierstoffe in freier und gänzlich unsymbolischer Darstellung vereinigt; vorn im Reitertroß die Falken, Affen, Hunde und die am Halsband gefesselten Leoparden; abseits vom Weg verfolgt der Leopard den Hirsch unter den Bäumen des Wal: des, der Hund den Hasen und in den Lüften stößt der Falk auf die Wildente herab.')

Wenn in manche Tiermuster wirklich von vornherein ein verborgener Sinn hineinge: legt wurde, so ist er sicherlich nicht auf religiösem Gebiet, sondern eher in den weltlichen Minnevorstellungen zu suchen. Diese Symbolik ist heute verschollen, und es ist daher schwer, im Einzelfall zu untersuchen, ob einst Hirsch und Hund, Falk und Reh als Sinnbilder von Lieb und Treue allgemein verstanden wurden. Auf anderen Kunstgebieten läßt sich ein sol: cher Zusammenhang erweisen. Einer jener runden florentiner Kupferstiche des 15. Jahr: hunderts, die zum Bekleben von Schachteln dienten,') zeigt zwischen Liebespaaren und in offenbarer Beziehung zu deren Gefühlen den scheuen Hirsch und das liegende Reh, Hund und Hase; und auf einer spätgotischen Bildwirkerei vom Oberrhein im Kaiser Friedrich: Museum ist ein jagendes Liebespaar dargestellt, vor ihm der flüchtige Hirsch und die Hunde. Die Aufschrift in der Bandrolle „Ich jag nach Triuwen, find ich die, kein lieber Zit gelebt ich nie" verrät auch hier, daß Hirsch und Hund als Symbole von Lieb und Treue oder von Keuschheit und Begier gedacht sind. Als Minnezeichen sind Hirsch und Hase ferner auf dem künstlerisch unbedeutenden Seidendamast Tafel 198c anzusehen , wo ein Band mit den Worten Amor und Ama sie umzieht.

Es gab noch andere profane Ideenkreise, die gebend oder nehmend mit den Seiden: mustern sich berühren. Das sind die Impresen oder Sinnbilder vornehmer Herren und Ge, schlechter und die Abzeichen der Ritterorden, die im ausgehenden Mittelalter, als das in: haltsleer gewordene Ritterwesen in der Pflege äußerlicher Formen Befriedigung suchte, wie Pilze aus dem Boden schossen. Zwischen den Ordenszeichen und Impresen des 14. und 15. Jahrhunderts und den Textilmotiven ergeben sich so viele formale Übereinstimmungen, daß eine Abhängigkeit des einen Formenkreises vom anderen bestanden haben muß. In der Regel scheinen die Seidenmuster die Quelle, der gebende Teil gewesen zu sein, in der Art, daß einzelne Motive, denen die Zeitgenossen einen symbolischen Sinn beilegten, als Ordens: zeichen oder Impresen entlehnt wurden. So führte ein Visconti von Mailand nach Ausweis einiger gotischer Steinskulpturen im Kastell daselbst als Impresa neben dem Herzogs:

  1. Noch auf einem Ornamentstich von Etienne de Laune erscheinen die gefesselten Flügel mit anderen Waidwerkzeugen zu einer Jagdtrophäe verbunden.

  2. Golubew T. 3, 11, 29, 40, 92.

  3. Auch ein Fresko von Gaudenzio Ferrari mit der Anbetung der Könige in der Brera ist als ver-

wandtes Beispiel anzuführen.

  1. Kristeller, Florentiner Zierstücke, T. 21.

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