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0230 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 230 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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durch wird aber an dem Ergebnis wenig geändert, daß die Muster, in denen wir einen reli: giösen, emblematischen oder heraldischen Sinn erkennen oder vermuten können, im Ganzen doch nur einen kleinen Teil des gesamten Musterschatzes ausmachen.

5. Die Spätgotik.

Die italienische Seidenkunst des 15. Jahrhunderts hat sich nicht damit begnügt, mit dem Erbe des Trecento zu wuchern und die Tierbilder in europäisierter Gestalt fortzuführen. Sie hat eine höchst erfolgreiche Neuschöpfung hervorgebracht in dem spätgotischen Seiden: stil, dessen zahllose und überaus mannigfaltige Äußerungen unter dem Sammelnamen der Granatapfelmuster zusammengefaßt werden.

Der neue Stil beseitigt die Tierbilder — von einigen Übergangsformen abgesehen — gänzlich und arbeitet ausschließlich mit dem Pflanzenornament. Dieses gewinnt als allein herrschendes Motiv notwendig an Fülle und Größe; es wird kraftvoller gezeichnet und in den Mustern großen Maßstabes zu einer Wuchtigkeit gesteigert, die architektonischen Zier; formen sich nähert. Damit geht ein glänzender Aufschwung der Webetechnik Hand in Hand. Die Samtweberei tritt in den Vordergrund und die spätgotischen Muster verkörpern sich vornehmlich in schweren Samtbrokaten von unvergleichlicher Farbenpracht und vollende: ter Ausführung. Während die leichten Seidenbrokate der älteren Stilrichtung den Darm: goldfaden bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts beibehalten, wird in den Samtbrokaten, da sie nicht leichte Schmiegsamkeit, sondern üppige Pracht erstreben, durchweg der glän, zendere echte Metallfaden aus vergoldetem Silberlahn auf gelbem Seidenkern verwebt.

Mit dieser technischen Wandlung, mit dem Aufblühen der Samtweberei hängt die Ent: stehung der spätgotischen Pflanzenmuster aufs engste zusammen. Technische Bedingungen sind in viel höherem Maße als ästhetische Ursachen bestimmend gewesen. Nach Dreger') wurden die Granatapfelmuster hervorgerufen durch ein Bedürfnis des 15. Jahrhunderts nach Größe und Einfachheit, Eigenschaften, die den unruhigen Tiermustern des Trecento ab: gingen. Man kann indes weder behaupten, daß das Streben nach Einfachheit und Größe einen wesentlichen Grundzug grade der Spätgotik bildet, noch auch, daß im 15. Jahrhun: dert ein Überdruß an den bewegten Tierbildern sich geltend gemacht hätte. Um 1420 oder 1430, als die Granatmuster reiften, standen die Tierstoffe noch in voller Blüte und sie sind noch das ganze Jahrhundert hindurch gewebt, gebraucht und gemalt worden. Sie gehen also gleichzeitig neben den spätgotischen Ranken: oder Granatstoffen einher, immer jedoch als leichtere Gewebe, als glatte Seidenstoffe oder Darmgoldbrokate. Denn so beliebt sie waren, für die von der Gunst der Zeit getragene Samtweberei war ihre verwickelte und oft kleinliche Zeichnung nicht geeignet. Sie verlangten, um gut zu wirken, eine so scharfe und reinliche Wiedergabe der Umrißlinien, wie sie im weichen Flor der Samtgewebe kaum her: auszubringen war. Im Anfang des 15. Jahrhunderts, als die Samtweberei ihren eigenen Stil noch suchte, sind zwar auch Tiermuster in vielfarbigem Samt ausgeführt worden, wie es scheint, in Venedig. In einem burgundischen Inventar des Jahres 1404 wird ein schwarzer Samt gemustert mit Rosen und goldenen Vögeln und anderen kleinen Motiven erwähnt. Z)

Solche schwierigen Arbeiten sind jedoch nur selten versucht worden; neben vielen Hunderten von Samtstoffen mit Pflanzenornament sind bloß ein paar Stücke mit Tiermustern erhalten. Dem Stil der venezianer Seidenbrokate steht am nächsten ein fragmentarisch er: haltener Samt in Düsseldorf (Abb. 494), der die bekannten Tierbilder, Adler, schwimmende Enten, Leopardenpaare mit Rosenbüschen verbindet. Das Hauptstück ist eine Kasel in

') Entwicklung S. 157.

2) Deshaines, Documents et Extraits divers concernant l'histoire de l'art dans la Flandre II: „Veluaul

noir figuré à roses et oyseaulx d'or et autres menuz ouvraiges."

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