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0243 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 243 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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kunft, auf drei Gattungen: Das symmetrische Spitzovalschema, die Granatmuster im engeren Sinn, die unsymmetrischen Schrägranken. Die drei Gruppen bilden keine zeitliche Entwick, lungsreihe; sie stehen während des 15. Jahrhunderts gleichzeitig in Übung, wobei allerdings bald die eine bald die andere Richtung bevorzugt wurde.

Als die erste Stufe sind die Stoffe mit einem regelmäßigen Rankennetz aus Spitzoval, feldern und einem Granatmotiv inmitten jedes Feldes anzusehen, weil sie wie oben darge: legt das Trecentoschema fortführen (vgl. Abb. 497-499). Der grünrote Samt Tafel 203 (Abb. 500) bringt die Hauptlinien klar und einfach, Tafel 204, das besterhaltene Prachtstück unter den spätgotischen Meßgewändern in der Danziger Marienkirche, eine viel reichere Zeichnung mit der Distelblüte als Herzstück. Auf dem grünen Damast in Fritzlar Tafel 205 und dem Seidenstoff der Sammlung Carrand im Bargello Tafel 131a stehen in den Spitz. ovalfeldern Palmetten, die in Venedig nicht selten die Granatmotive ersetzen.

Wenn man nach der Wiedergabe von Prachtstoffen auf den Bildern dieser Zeit die Verbreitung der verschiedenen Mustergattungen abschätzen darf, so scheint es, daß der Spitz: ovaltypus noch während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an Beliebtheit einbüßte. Erst gegen 1500 holte die Renaissance dieses klare und symmetrische Schema wieder hervor und verhalf ihm zur Herrschaft während des 16. Jahrhunderts.

Die zweite und häufigste Gattung der eigentlichen Granatapfelmuster scheint auf den ersten Blick von der spitzovalen Anlage gänzlich verschieden ; sie ist aber dennoch in all; mählicher Umbildung aus dieser hervorgegangen. Das neue Muster geht davon aus, daß ein bisher nebensächliches Ornament, die Blüte oder Frucht auf den seitlichen Berührungs: stellen der Spitzovale, sich zum Hauptmotiv auswächst. Wie die ältere Tradition diesen Be, standteil noch der Mittelfüllung unterordnete, ist an Tafel 203 (Abb. 500) zu sehen. Auf dem Buntsamt Tafel 206 (Abb. 501) ist die verbindende Palmette noch nicht größer als die Granatäpfel inmitten der Felder ; aber schon durchbricht sie den Zusammenhang des Spitz: ovalnetzes und das unterlegte Blatt verhilft ihr zu beherrschenderWirkung. Der entscheidende Schritt auf der neuen Bahn ist in dem Buntsamt Abb. 502 vollzogen: Die den Granatäpfeln auf den Berührungsstellen unterlegten Rosen haben die noch vorhandenen Spitzovalfelder überwuchert und den Raum der Mittelfüllung an sich gerissen. Das Spitzovalfeld zerfällt nun in eine obere und eine untere Hälfte, die je ein besonderes Füllmotiv aufnehmen. Dabei wird das Spitzovalfeld nicht mehr im Zusammenhang als Ganzes empfunden, sondern nur als verbindende Spitzbogenstellung. Die durch ihre breite Rosenunterlage gehobenen Eindringlinge haben als neues Hauptmotiv die alte Flächengliederung gesprengt. Auf dieser Entwicklungsstufe steht der klar gezeichnete Samtbrokat Tafel 207 und der spanische Damast Abb. 503; in den Tafeln 208, 209 und 210 geht die Auflösung weiter, sodaß die Spuren des alten Systems nur schwer zu erkennen sind.

Wiederum einen Schritt weiter weg vom Spitzovalschema führt die Abbildung 504 (Samtdalmatik in Brandenburg). Hier sind die vorher noch in Reihen gegeneinander ver; schobenen Granatäpfel senkrecht untereinander gerückt. Damit wird die Erinnerung an das frühere Rankennetz ganz verwischt und dessen Überreste dienen nur noch dazu, die Wirkung der wagrechten Musterreihen zu verstärken. Samtstoffe dieser Art sind in großen Mengen erhalten ') und obwohl zumeist einfarbig schwarz, grün, blau oder rot, hebt sich die in der glatten Bindung des Bodens vertieft liegende Zeichnung doch scharf und blank vom Samtflor ab. Die Gattung ist wohl erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden, da sie auf älteren Bildern noch nicht vorkommt.2) Ein bestimmter Herkunftsort ist nicht bekannt; wahrscheinlich hat keine der großen Seidenstädte Italiens, Venedig, Lucca, Genua,

') Der Kat. Errera bringt aus der Brüsseler Sammlung nicht weniger als 22 Spielarten, nr. 161 bis 182. 2) Als frühestes Beispiel ist ein um 1440 angesetztes Marienbild vom Mittelrhein im K. Friedrich= Museum nr. 1205 anzuführen.

Falke, Seidenweberei.

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