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0262 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 262 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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muster eine vereinzelte Erscheinung, von der vornehmlich die Bilder der Zeit noch Zeug. nis ablegen.

Die Hauptquelle sind die Gemälde des Carlo Crivelli, deren Daten von 1468 bis 1493 laufen. Neben vielen gotischen Stoffen bringt Crivelli verschiedene Muster, die lediglich aus Renaissanceranken und Akanthusblättern bestehen. Sie geben teils zweifarbige Seidenstoffe, teils Goldstoffe wieder, auf denen die Zeichnung in farbigen Umrissen erscheint. Sidney Vacher hat nach den Bildern Crivellis in der Londoner Nationalgalerie vier solcher Muster veröffentlicht; 1) auch auf der großen Altartafel aus Ascoli im K. Friedrich Museum sind sie gut vertreten. Der Mantel des h. Petrus (Abb. 533), der Mantel der Maria und der Vorhang hinter ihrem Rücken gleichen den Londoner Stoffen; das reichste Muster zeigt das Pluviale des heiligen Ludwig von Toulouse, Wappenlilien von den zierlichsten Renaissanceranken umzogen (Abb. 534). Die Zeichnung der Lilien ist ausgesprochen florentinisch. Crivelli hat gewiß keine Phantasiemuster erfunden, wie sie etwa bei Botticelli zu sehen sind. Das stünde mit seiner ganzen Kunstweise im Widerspruch. Er betrieb die Stoffmalerei mit der liebe: vollen Sorgfalt und Treue der Niederländer und hat öfter versucht, sogar die schillernden Wellen der damals aufgekommenen Moiréeseiden wiederzugeben. Auch der Umstand, daß bestimmte Stoffe auf vielen seiner Bilder sich genau wiederholen,2) spricht dafür, daß er nach Modell gemalt hat. Stoffe mit den Crivellimustern sind nicht erhalten ; doch steht ihnen eine Dalmatik in der Wiener Stoffsammlung nahe (Abb. 535), welche durch ihre florentini• schen Besätze mit der Verkündigung und Geburt Christi ins 15. Jahrhundert verwiesen wird. Die Renaissancepalmetten und Fruchtkränze des Grundstoffes sind ebenso wie bei Crivelli (vgl. Abb. 533) nur in linearer Umrißzeichnung einfarbig rot auf weiß gewebt. Diese un. gewöhnliche Ausführung deutet auf eine gemeinsame Herkunft. Lenkt schon der reine Renaissancestil dieser Gattung den Blick nach Florenz, so wird diese Vermutung noch be, stätigt durch die auf Abb. 533 sichtbare Schraffierung des Grundes. Das ist eine Eigentüm, lichkeit, die uns bei vielen unzweifelhaft florentinischen Bortengeweben dieser Zeit wieder begegnen wird. Eine einfachere Variante der Wiener Dalmatik besitzt der Domschatz von Toledo.3)

Einen florentinischen Renaissancestoff, der sich etwas mehr der älteren Tradition an, schließt, hat Domenico Ghirlandaio 1488 auf einem Brustbild der Giovanna Tornabuoni°) und 1490 im Chor von S. Maria Novella gemalt (Abb. 536, Fresken der Geburt Mariae und Heimsuchung). Hier umschließt ein Spitzovalnetz aus sehr fortgeschrittenen Renaissance: formen verschiedene Impresen, von denen der Adler der Strozzi und die drei verschlun. genen Ringe der Medici erkennbar sind.

Die verbreitetste Gattung toskanischer Frührenaissancestoffe hat bezeichnenderweise überhaupt keine eigentlichen Rapportmuster, sondern sie bringt biblische Bilder in Streifen geordnet, die sich zwar regelmäßig wiederholen, aber einer ornamentalen Verbindung unter einander entbehren. Diese Stoffe waren bestimmt, in Streifen zerschnitten als Besätze von Meßgewändern zu dienen; daher sind auch fast bloß Einzelstreifen überliefert (Tafel 231). Sie sind aber nicht wie die zu ähnlichen Zwecken geschaffenen Cölner Borten von vorn, herein als Einzelborten gewebt, sondern immer als ganze Bahnen von normaler Stuhlbreite. Der Halberstädter Domschatz besitzt eine Dalmatik aus noch unzerschnittenem Stoff, in dessen Längsstreifen Maria und Johannes der Täufer sich wiederholen.

Die ältesten Stücke mit Heiligenfiguren unter gotischen Baldachinen fallen wohl noch

') Fifteenth century italian Ornament T. 10, 11, 12, 13.

  1. Abb. 533 außer in London und Berlin auch auf drei Bildern in der Brera.

  2. Abgeb. in den Mélanges d'arch. III, T. 33.

  3. Abgeb. Gazette des beaux Arts 1897, II S. 496. — Das Bild ist in den Chorfresken von S. Maria Novella wiederholt; Venturi VII, 1, fig. 453.

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