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0267 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 267 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts.') Sie stimmen technisch mit ihren Vorläufern, den luccanischen Verkündigungstoffen (vgl. Abb. 462) noch ziemlich überein: Das Muster steht in Darmgoldeinschlag auf rotem, selten grünem Seidengrund, die Fleischteile sind weiß, andere Einzelheiten blau eingeschossen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts verschwinden die gotischen Formen; Ornament und Architektur werden renaissancemäßig und in den Figuren kommt das Gepräge der florentinischen Kunst immer deutlicher zum Vorschein (Abb. 537). Die ganze Gattung ist allerdings bisher in der Regel für sienesisch angesehen worden?) Diese Zuweisung gründet sich, da ein urkundliches Zeugnis für Siena fehlt, ver: mutlich darauf, daß das Abzeichen des heiligen Bernardin von Siena (-f- 1450), ein von ge; flammten Strahlen umgebenes Jesusmonogramm, sehr oft als Zwischenornament oder Haupt, motiv in diesen Stoffen auftritt.3) Aber das strahlende Monogramm war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Allerweltsmotiv, das auch ohne Beziehung zu dem sieneser Heiligen überall verwendet wurde; für die florentiner Seidenweberei ist es durch den von Ghirlan; daio gemalten Impresenstoff besonders beglaubigt. Entscheidend für die Herkunft der Borten: stoffe ist die enge Verwandtschaft ihrer Bilder mit der florentinischen Kunst im allgemeinen und ihren Holzschnitten im besonderen. Vergleicht man den Titelholzschnitt (Abb. 538) eines 1493 erschienenen florentiner Buches') mit den Engeln auf Tafel 231 b (Abb. 539) und mit dem Christus oder den Cherubim auf T. 231a (Abb. 540), so ist jeder weitere Beweis entbehrlich.

Im Verlauf der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden die Bortenstoffe zwei: farbig, mit gelbem Einschlag auf rotem Kettenatlas, der zugleich die Linien der Innenzeich: nung bildet. Das gelbe Muster ist in der Regel noch mit Darmgoldfaden etwas spärlich durchschossen; vergoldetes Silberlahngespinst kommt bei dieser Gattung nicht vor. Der Motivenschatz ist beträchtlich. Wir finden die Verkündigung, die Geburt, die Taufe und die Auferstehung Christi, die Himmelfahrt Mariae und die thronende Muttergottes, Engel das Kreuz oder das Bernardinszeichen anbetend, Apostel und Heilige in ganzer oder halber Figur; manches davon in mehreren Spielarten, je nachdem die Zeichnung sich breit in wag: rechte oder schmal in senkrechte Streifen einfügen mußte. Von der Stigmatisierung des h. Franciscus ist mir nur ein Beispiel auf einer Granatsamtdalmatik des Reichenberger Museums bekannt.) Aus Verschiedenheiten der Bindung und der Randornamente ist zu schließen, daß mehrere Werkstätten, wenigstens drei oder vier, sich mit den kirchlichen Bilderstoffen befaßt haben. Bei einem durch edle Zeichnung hervorragenden Stück der Berliner Stoff: sammlung mit dem h. Stephanus (Abb. 541) ist das Muster ausnahmsweise in Samt gewebt. Die Abbildung 542 vertritt eine vielleicht schon dem Anfang des 16. Jahrhunderts ange: hörende Art, welche durch die lineare Zeichnung auf schraffiertem Grund dem Crivellistoff Abb. 533 verwandt erscheint. Hier tritt zum erstenmal als sparsam verteilter Einschlag der dünne massive Silberdraht auf, der weiterhin viele florentinische Brokatstoffe der Hoch: renaissance kennzeichnet.6)

Als Erzeugnisse der Arnostadt sind hier noch zwei Seidenstoffe zu erwähnen, die der Renaissance freilich nur wenig Raum gewähren. Der Damast aus Kloster Lüne Tafel 232 trägt als Herkunftszeichen den Mediceerring, gleich dem Ghirlandaiostoff gezeichnet, und

') Gute Beispiele im Bargello und im Kestnermuseum von Hannover; auch Dreger T. 205 b.

  1. Migeon, Les Arts du Tissu, S. 64; Kat. Errera nr. 39, 101, 189-196, 203-206, 308-313; Cox, L'art de décorer les tissus. — Alan Cole, Ornament in european Silks, fig. 53 hält diese Stoffe dagegen für venezianisch.

  2. Beispiele Kat. Errera nr. 39, 101, 193, 310; Dreger T. 206a.

') Frutti della Lingua, von Dom. Cavalca.

') Abgeb. Zeitschrift des nordböhm. Gewerbemuseums 1910;11.

6) Ein hervorragendes Stück dieser linear gezeichneten Borten ist bei Dreger T. 206c abgebildet.

Falke. Seidenweberei.

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