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0288 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 288 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Es würde nicht richtig sein, alle Granatstoffe des Übergangsstils, die in der Art der Abb. 558 noch gotische und Renaissanceformen vereinen, in die erste Hälfte des 16. Jahrh. zu setzen. In Venedig wenigstens wurden gotisierende Granatmuster größten Maßstabes in einfarbigem Samt (Abb. 561) oder Seidendamast während des ganzen 16. Jahrh. weiter, gewebt, weil solche Stoffe für die Dogen: und Senatorentalare (Beispiele im Corrermuseum und Berliner Kunstgewerbemuseum) gebraucht wurden. Sie blieben indes nicht lediglich diesem Zweck vorbehalten, sondern sind allerwärts als Kleider: und Wandstoffe benützt worden. So ist auf Holbeins Gesandtenbild in London sowohl die Schaube des Bischofs von Lavour als auch der Vorhang aus diesen venezianer Damasten gefertigt, ebenso das Oberkleid der Herzogin Eleonora von Toskana auf Bronzinos Bildnis in Turin.')

Spanische Renaissancestoffe.

Noch viel konservativer war die spanische Webekunst. Sie pflegte als eine ihrer ge: schätztesten und verbreitetsten Gattungen golddurchschossene Seidenstoffe mit sehr großen Granatmustern, bei denen gotisch gewundene Blätter das artischockenförmige Herzstück umgeben. Auch im Astwerk wirkte die Gotik unverkennbar nach (Abb. 562). Die Hers kunft der in spanischen Kirchen reich vertretenen und von spanischen Malern oft darge: stellten Gattung ist nicht fraglich ; denn bei mehreren Stücken verbinden sich die gotischen und Renaissanceformen mit spezifisch spanischen Arabesken;2) eine Kasel der Wiener Stoff sammlung) erweist sich auch durch den Stil des gestickten Besatzes als spanische Arbeit und ver= schiedene Beispiele des Brüsseler Museums wurden in Madrid erworben. Diese Goldstoffe lassen sich auf Bildern durch mehr als hundert Jahre verfolgen. Dasselbe Muster, welches Sir Henry Guildford auf Holbeins Bildnis von 1527 trägt, hat Philippe de Champaigne als Hintergrundbehang seines Richelieubildes im Louvre (um 1630) gemalt. Die Unterschiede sind ganz unwesentlich. Noch später hat Velasquez eine Variante als Betpultdecke auf den Bildern König Philipps IV und seiner Gemahlin Maria von Österreich im Prado wieder: gegeben.')

In großen Mengen sind spanische Renaissancestoffe erhalten, welche maureske Formen bis weit in das 17. Jahrh. fortführen. Sie bilden ihre Muster aus mageren, ganz arabesken. haften Ranken, welche artischockenförmige Herzstücke in spitzoval oder symmetrisch ge; schweifte Felder einschließen (T. 253-256). Jedes Muster besteht aus zwei in Textur oder Farbe miteinander kontrastierenden Rankensystemen, die sich verkreuzen und durchschlingen (Abb. 563). Die Textur der reichsten Stücke wie T. 253 schließt sich an die florentiner Pollajuologoldstoffe an: Die Blüten und breiteren Arabesken bilden auf dem glatten Grund ein Relief aus dicken Gold: und Silbernoppen mit Samtkonturen, während das leichtere Rankenwerk bloß in Samt gewebt ist. Dem Grund verleiht ein dichter Einschlag aus dem zuerst in Florenz aufgekommenen Silberdraht metallischen Glanz. Die spanischen Weber haben von diesen feinen gezogenen Drahtfäden, je nach Bedarf weiß oder vergoldet, den ausgiebigsten Gebrauch gemacht; als sicheres Kennzeichen spanischer Arbeit können sie jedoch nicht dienen, weil auch die Italiener und namentlich die Florentiner sie während des 16. Jahrh. und wahrscheinlich noch länger benützten. Für die spanischen Muster in der Art von T. 253 und T. 254, welche die Arabesken schon sehr renaissancemäßig behandeln, gibt Bronzinos Bildnis der Herzogin Eleonora von Florenz, der Tochter des neapolitaner Vizekönigs Don Pedro von Toledo (Abb. 564), eine Datierung auf die Mitte des 16. Jahr hunderts. Damit ist aber nicht die ganze Geltungsdauer der Gattung umschrieben; ihre

  1. Dreger Entw. T. 225.

  2. Kat. Errera nr. 229, 229a.

  3. Dreger T. 239.

  4. Der Stoff ist in Brüssel, Kat. Errera nr. 229a und in der Berliner Stoffsammlung erhalten. 1m Katalog der Stoffsammlung des Museums von Barcelona nr. 156, wird die Gattung Toledo zugeschrieben.

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