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0306 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 306 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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wußtes Streben nach stilistischer Unabhängigkeit auf diesem Gebiet vorhanden war. Die ganze europäische Kunstbewegung seit Ludwig XIV war nicht dazu angetan, solche Ab: sichten zu wecken und zu fördern. Eine Zeit, die Frankreich die Führerschaft in allen künstlerischen Dingen zugestand, mußte seine Überlegenheit und Vorbildlichkeit am bereit: willigsten in der Seidenkunst anerkennen, da hierin die Ansprüche der Mode, des Hofi lebens und der vornehmen Innendekoration in erster Linie maßgebend waren.

Die nichtfranzösischen Seidenmuster des 18. Jahrhunderts wichen wahrscheinlich nur so weit von den französischen Vorbildern ab, als das Können der Zeichner und Weber hinter dem der Franzosen zurückblieb. Zwischen den Musterzeichnungen aus Spitalfields, die das

S. Kens. Museum bewahrt, und den gleichzeitigen Stoffen von Lyon besteht kein merklicher Unterschied; auch an den Proben berlinischer Seidenstoffe aus dem Ende des 18. Jahrh. in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums (in der Art von T. 310) ist nichts Eigenartiges zu entdecken.') Die Quelle aller entscheidenden Neuerungen war Frankreich; von hier allein sind die Hauptströmungen im Seidenstil des 18. Jahrhunderts ausgegangen.

Der erste Rang wird allgemein Lyon zugestanden, nicht nur als Sitz der Großbetriebe und aller Nebenzweige des Seidengewerbes, sondern auch als Bahnbrecher und Führer in der Musterbildung. Für die Entwicklungsperiode vor Colbert gilt das wohl nicht in gleichem Maß wie nachher. Ganz so überragend wie im 19. Jahrhundert ist die Stellung von Lyon selbst während der eigentlichen Blütezeit nicht gewesen. Neben den beiden alten Seidenstädten Lyon und Tours gab es im 18. Jahrhundert, vor dem allgemeinen Zusammenbruch der franz zösischen Seidenweberei zur Revolutionszeit, noch viele Seidenfabriken in Orleans, Lille, Alençon, Toulouse, Fontainebleau, die nach Paul Lacroix2) von der Regierung durch die Erhebung zur Manufacture royale ausgezeichnet und durch Musterzeichner aus der Pariser Staatsanstalt der Gobelins gefördert wurden.

Französische Samte des 17. Jahrhunderts.

Es hat lang gedauert, bis die französische Weberei zu einem eigenen Stil gelangt ist. Bevor Colbert — um 1665 — ihr seine mächtige Fürsorge zuwandte, ging der Ehrgeiz von Lyon und Tours kaum darüber hinaus, den italienischen Geweben stofflich und stilistisch gleichzukommen. Noch im Jahre 1666 wird im Inventar der Kronmöbel Ludwigs XIV bei einem Lyoner Brokat vermerkt, daß er das Muster eines florentiner Stoffes wiederhole.3) Deshalb geben nur wenig französische Stoffe aus der ersten Hälfte des 17. Jahrh. ihre Her: kunft zu erkennen. Das erste gesicherte Stück französischer Arbeit ist der Samt Abb. 580 (T. 294). Zwischen schlank und leicht entworfenem Renaissancerollwerk steigen aus Füll; hörnern Blütenzweige auf, die über der heraldischen Lilie die Königskrone in der spezifisch französischen Form aus der Zeit Heinrichs IV und Ludwigs XIII tragen. Einen Schritt weiter ins Barocke führt der technisch gleichartige Samtstoff Abb. 581 mit delphingehenkelten Vasen, über denen ebenfalls die Wappenlilie mit der französischen Krone schwebt. Füll: hörner und Kronen werden als Motive von Lyoner Stoffen im Inventar Ludwigs XIV oft erwähnt. Sie erscheinen nochmals mit Lilien und Palmzweigen verbunden auf der Samt: tapete Abb. 582 (T. 276 a), die ebenso wie Abb. 581 durch die Zierlichkeit der Zeichnung vom italienischen Stil merklich abweicht. Kronen, Lilien und Palmwedel weisen schließ: lich auch die Abb. 583 (T. 279 a) in diese Gruppe. 4)

') Das österr. Kunstgewerbemuseum in Wien besitzt eine Mustersammlung der Wiener Seidenweber Gebr. Mestrozzi um 1800 mit vielen Kleinsamten und naturalistischen Blumenbroschierungen, die wesentlich französischen Vorbildern folgen.

  1. A. a. O. S. 529.

  2. Guiffrey, Inventaire du Mobilier de la Couronne sous Louis XIV, II S. 183 nr. 29.

  3. Ein Streumusterstoff, der zu den Abb. 580 und 581 gehört, ist bei Cox, L'art de décorer les Tissus,

T. 69 nr. 6 abgebildet.

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