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0320 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 320 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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ner aller Länder, war eine weitreichende Wirkung beschieden. Das bezeugen die Blumen; stücke der beiden Stoffe aus der Berliner Seidenweberei von Gabain um 1770 auf Tafel 304; die pelzverbrämte Draperie mit Quasten T. 304 b war ein Lieblingsmotiv Lasalles.1) Bei den acht Tapetenmustern des Louis XVI,Stils auf den Tafeln 305 und 306, die zum Teil schon in den reinen Klassizismus hineinreichen, stehen viele Einzelheiten unter seinem Einfluß, am meisten die Blumenmuster T. 305 b, c und die Weinranke T. 306 b.

Landschaftliche Muster mit figürlicher Staffage hatte die Seidenweberei schon zur Rokoko, zeit wieder aufgenommen ; der jüngere Jean Revel in Lyon wird als der führende Musterzeich, ner genannt. Es ist kein Zufall, daß dabei Chinesenmotive vorherrschen. Zwar sind die Chi, nesenbilder Watteaus, Bouchers, Pillements und die davon abhängigen Webemuster niemals wirkliche Kopien ostasiatischer Stoffe, sondern gleich den Chinesenmalereien des Meißener Porzellans europäische Phantasien über Natur und Leben Ostasiens (Abb. 596 und 597). Es kommt aber darin doch, wie schon in dem phantastischen Pflanzenornament der Barock, stoffe, in übertragener Form ein erneuter Einfluß des fernen Ostens zum Ausdruck. Es wäre auch wunderlich, wenn in dieser Zeit, während die der Seidenweberei sehr verwandte Porzellanmalerei so viel von China und Japan annimmt, die Weberei sich ganz frei gehalten hätte. Eine so bahnbrechende Wirkung wie im 14. Jahrhundert hat aber die chinesisch, japanische Kunst in der Neuzeit nicht mehr ausgeübt; es blieb mehr ein äußerliches Spiel mit exotischen Motiven.

Der Klassizismus.

Während der Übergang vom Rokoko zum Louis XVI, der sich noch unter der Re, gierung Ludwigs XV vollzog, dank der Mitarbeit Lasalles fraglos eine Glanzzeit der euro, päischen Seidenkunst bedeutet, können aus den nächstfolgenden Jahren bis zur Revolution grade die anspruchsvollsten Erzeugnisse, die Seidentapeten und Möbelstoffe, kaum mehr als eine künstlerische Steigerung angesehen werden. Zwar sind die späten Louis XVI,Tapeten, die schon in die Regierungszeit Ludwigs XVI fallen, keineswegs arm an Motiven. Zu den Blumenkränzen, Gehängen und Akanthusranken kommen antikisierende Vasen (T. 305a) und flammende Altäre, Köcher und Bogen, Hymenfackeln und Thyrsusstäbe, Füllhörner und Leier, schnäbelnde Tauben (T. 305 b) und Amorettenmedaillons, kurz die ganze klassizistische Symbolik (Abb. 598, T. 307 a, b). Allein diese Formen, symmetrisch, doch ohne Pedanterie zu abgeschlossenen Mustern aufgebaut, sind im Grund nichts anderes als eine Wiederholung der gemalten oder plastisch in Holz, Stuck oder Bronze ausgeführten Wandfüllungenderdamaligen Innendekoration. Zum ersten Mal nach einer tausendjährigen Entwicklung unterwirft sich die Seidenweberei rückhaltlos der Architektur, verzichtet sie gänzlich auf einen selbständigen Flächenstil. Das ist die Kehrseite der plastischen Dar, stellungsweise, deren erstes Auftreten im Rokoko einen hoffnungsvollen Aufschwung an, zukündigen schien.

Für die Kleiderstoffe und für schlichtere Möbelbezüge kamen die sentimentalen Liebes, embleme, Hirtengeräte und die sonstigen antikisierenden Elemente begreiflicherweise nicht in Betracht ; daher bleibt wenigstens auf diesem Feld der textile Charakter der Musterung auch im Klassizismus noch erhalten.

Das ausklingende Rokoko hinterläßt als gangbarsten Typus die Streifenmuster, bei denen grade Bänder an Stelle der bewegten Rokokowellen die Fläche senkrecht zerlegen (T. 308-310). Oft ist an leichten Schwingungen der Bänder (T. 308b = Abb. 599) oder an welligen Innenzeichnungen (T. 308a) der Zusammenhang mit den Vorstufen noch erkenn, bar. Die Blumen werden kleiner und in weiteren Abständen spärlicher zwischen und über die Streifen verteilt (T. 309 und 310b); dann schrumpfen die einst üppigen Sträuße zu be,

1) Vgl. Cox, T. 3, 15.

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