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0324 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 324 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Der Ausbruch der Revolution brachte die französische Seidenweberei dem Untergang nahe. Sie hatte schon vorher einen schweren Stand, um neben den immer mehr in Auf, nahme kommenden bedruckten Baumwollgeweben sich einen ausreichenden Absatz zu sichern. In solcher Zeit konnte sie die gewaltsamen Schädigungen der Pöbelherrschaft, die Beseitigung des königlichen Hofes, die Vertreibung des Adels nicht verwinden. Zudem hatte die des Royalismus beschuldigte Stadt Lyon unter den Mißhandlungen der Gewalt: haber des Konvents besonders schwer zu leiden. Von 1789 an lag das Seidengewerbe länger als ein Jahrzehnt völlig darnieder. Aus dem Elend hat erst Napoleon durch die tatkräftigste Förderung Lyon wieder emporgehoben. Schon als Konsul beginnt er durch großartige Auf träge das Seidengewerbe zu unterstützen. Zunächst hatte von 1802 bis 1807 nur das Haus Pernon, dem Philippe de Lasalle angehörte, die Ausstattungsstoffe für die Tuilerien und für S. Cloud im Betrage von etwa 11/2 Millionen zu liefern. Dann verfügt der Kaiser 1807 von Schloß Finckenstein aus, daß das Gardemeuble jährlich 2 Millionen für Lyoner Seidenstoffe zur Einrichtung der kaiserlichen Schlösser aufwenden soll. Die Bestellungen kommen nun einer großen Zahl von Werkstätten, aber ausschließlich in Lyon , zugute. Die Tapeten und Möbelstoffe, die für Fontainebleau von 1804 bis 1812 angeschafft wurden, kosten über 6 Millionen; für Versailles liefert Lyon im Jahre 1811 Gewebe für 1746000 Franken. Soweit das Machtwort des Kaisers reicht, mußten die von ihm abhängigen Fürsten seinem Beispiel folgen ; für die männliche und weibliche Hoftracht war nur Lyoner Seide zulässig. Das be, malte oder geschnitzte Holzgetäfel, der alte Rivale der Seidentapeten, wurde aus dem Feld geschlagen ; die offizielle Innendekoration des Kaiserreichs duldete bloß Samt: und Seiden: gewebe für die Salons, bedruckte Stoffe für die Nebenräume. In kurzer Frist hatte Lyon durch die wahrhaft kaiserliche Unterstützung die Stellung als erste Seidenstadt Europas wiedergewonnen, um sie bis zur Gegenwart nicht wieder zu verlieren. Die Erfindung des Jacquardstuhles (1806/1807), der einen Teil der Handarbeit ausschaltete und eine genauere und billigere Ausführung auch der schwierigsten Muster verbürgte, hat zwar in die künst, lerische Entwicklung nicht eingegriffen, aber zur Neublüte und Überlegenheit Lyons doch erheblich beigetragen.

Empirestoffe.

Über die damaligen Leistungen der Lyoner Werkstätten ist man genau unterrichtet, besser als für die Stilperioden des 18. Jahrhunderts, denn von den Dekorationsstoffen für die kaiserlichen Schlösser der Tuilerien, S. Cloud, Fontainebleau, Versailles, Trianon, Com, piègne, Meudon, Malmaison ist ein großer Teil im Mobilier National erhalten, darunter vollständige Saalbespannungen, die nie gebraucht worden sind, weil sie erst kurz vor oder nach der Abdankung Napoleons geliefert wurden. Dieser Bestand von fast vierhundert Empirestoffen ist von Dumonthier wieder aufgefunden und mit allen wünschenswerten An, gaben über die Verfertiger, die Preise, die Lieferzeit und die Bestimmung veröffentlicht worden.') Da alle diese Gewebe bestimmt waren, sich in Einrichtungen der leitenden Hof, architekten Percier und Fontaine einzufügen, herrscht bei ihnen durchweg der Empirestil in seiner reinsten und reichsten Form. Zwar ist die berühmte Louis XV I,Tapete, die Philippe de Lasalle für Marie Antoinette geschaffen hatte, im Jahre 1806 von Pernon auch für ein Schlafzimmer der Kaiserin Josephine gewebt worden; hierbei handelte es sich aber nur um ein vereinzeltes Zugeständnis an den persönlichen Geschmack der Kaiserin. Überblickt man den großen Formenreichtum der Stoffe im Mobilier National, so muß man zugeben, daß der Seidenstil des Empire entschieden besser ist als sein Ruf. Eine gewisse Härte der Zeich, nung und Farben, ein allzu scharfer Kontrast von Grund und Muster ist allerdings nicht

1) E. Dumonthier, Étoffes d'Ameublement de l'Époque Napoléonienne, Paris 1909; mit 70 Tafeln und einer Einleitung von Frédéric Masson. — Die Stoffe waren im Winter 1909-10 als Sonderausstellung im Pariser Kunstgewerbemuseum zu sehen.

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