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0331 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 331 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Samtnoppen nebeneinander stellen , kennt der vordere Orient lediglich den ganz ge, schorenen Florsamt.

Die italianisierenden Muster bilden nur eine kleine Gruppe unter den Osmanenstoffen. Im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts tritt die spitzovale Flächenteilung durch symme, trisch geschwungene Äste oder Bänder (wie Abb. 604 u. 605) etwas zurück, es bleiben lose über die Fläche verteilte Spitzovalfelder (T. 319) oder nur die von den Granatformen ab. geleiteten Mittelstücke übrig. Die letzteren werden, am Vorbild des Granatapfels haftend, als eine geschuppte Frucht mit oder ohne Blattkranz gestaltet (T. 320), oder sie wandeln sich in Nelken und Tulpen, die beiden beliebtesten Motive des spezifisch osmanischen Flachornaments. Die Tulpe entsteht, wie die Abb. 604 zeigt, aus dem unteren Teil des Granatapfels, der eigentlichen Frucht; die Nelke, indem sich das bekrönende Büschel zum Hauptstück auswächst (Abb. 606). Neben der Reihenordnung verwendet die türkische Weberei obschon seltener auch die parallel gewellten Ranken (Abb. 607), wofür sie die Anregung ebensowohl von Persien her wie von der italienischen Spätgotik empfangen haben kann. Die Nelken, Tulpen und die langen Zackenblätter werden oft in so kolossalem Maßstab hergestellt, daß sie selbst wieder als Grund für eine innere Musterung aus kleineren Blüten dienen. Hier kommen die zierlicheren Pflanzenformen des türkischen Ornaments, die Rosen (vgl. T. 319) und die Hyazinthen (vgl. T. 320) als Füllungen zu ihrem Recht. Da; mit hatte die Türkei um die Mitte des 16. Jahrhunderts ihren eigenen selbständigen Seiden; stil erreicht und eine neue Gattung geschaffen , die zu den Großtaten der Seidenweberei aller Zeiten zählt. Obwohl die osmanischen Stoffe technisch auf der Stufe des späten Mittel, alters stehen bleiben und von der Verfeinerung der italienischen Samte oder den raffinierten Bindungen der Lyoner Blütezeit gar nichts wissen, heben ihre stilistischen Vorzüge sie doch über die Renaissancegewebe der Italiener und Perser hoch empor. Die eindringliche und sichere, auch bei größtem Maßstab immer rein flächenhafte Stilisierung verleiht ihnen eine großzügige und klare Wirkung, wie sie die Seidenweberei der Neuzeit sonst nirgends zu, wege gebracht hat. Die Zahl der Einzelmotive ist allerdings nicht groß; ihre Variation er, gibt aber doch einen reichen Musterschatz. Er hat viel Verwandtes mit den osmanischen Wandfliesen, die ja ebenfalls Rapportmuster gebrauchen. Doch besteht ein merklicher Unterschied: Während das keramische Ornament einen starken Einschlag persischer Formen aufweist, hält sich der Seidenstil unabhängiger; das persische Rankenwerk mit den Lotus, motiven (als Mittelfüllung auf dem Brokat T. 319 zu sehen) und die gemeinislamische Ara, beske spielen in den Geweben neben den rein osmanischen Blumen nur eine untergeordnete Rolle.

Glattgewebte Brokate und Samtstoffe, die ursprünglich meistens auch Metallfäden enthielten, die aber häufig ganz abgerieben sind, halten sich in der türkischen Weberei un, gefähr die Wage.') Die Samte waren vornehmlich zum Wandbehang, zu Vorhängen oder Divandecken und dergleichen bestimmt; sie sind daher oft mit im Stück gewebten Borten versehen (Abb. 608), wie die Teppiche und Fliesenfelder. Vom 17. Jahrhundert ab sind mittelgroße Samtstücke mit abgepaßter Musterung und Borten an den Schmalseiten in Mengen erhalten, die sogenannten Skutaridecken (Abb. 609), die wahrscheinlich als Sattel= decken und Kissenbezüge gedient haben. Ihre Herstellung reicht bis zur Gegenwart herab, doch sind die neuen Stücke in Farben , Zeichnung und Textur erheblich geringer als die alten. Wie in der türkischen Baukunst und in Stickereien des 18. Jahrhunderts macht sich auch in den Webemustern zuweilen der Einfluß der europäischen Spätstile bemerkbar, vor:

1) Die türkischen Stoffe aus der Blütezeit, also aus dem 16. und 17. Jahrhundert, sind in Berlin wie in der Lyoner, Londoner und anderen Stoffsammlungen recht gut vertreten. Einen ansehnlichen Bestand zeigt auch die Veröffentlichung der Collection Kelekian. Die allerhervorragendsten Stücke jedoch hat der Bargello in den Sammlungen Carrand und Franchetti vereinigt.

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