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0335 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 335 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Wenn man aus dem sehr unzulänglichen Denkmälerbestand allgemeine Schlüsse ziehen darf, so scheint es, daß damals symmetrisch gezeichnete Ranken mit Lotusblüten, Rosetten und gezackten Blättern, ganz in der Art der gleichzeitigen Perserteppiche, die vornehmste Musterung von Prachtstoffen bildeten. Das Rankenwerk verteilt sich entweder frei über die Fläche, oder es wird durch breite Bänder in Spitzovalfelder zusammengefaßt.') Nicht selten sind Vögel paarweis eingeordnet ; das reichste Stück, ein Samtbrokat im Prager Kunst: gewerbemuseum, enthält außerdem sitzende Figuren mit großen Flügeln, wie sie in dem berühmten Jagdteppich des österreichischen Kaiserhauses vorkommen.2) Die symmetrischen Lotusranken gehen wie in den Teppichen so auch in der Weberei während des 17. Jahr: hunderts weiter. Der Samtbrokat Abb. 610 gehörte zu den Geschenken, die eine persische Gesandtschaft im Jahre 1639 dem Herzog Friedrich von Holstein:Gottorp überbrachte, und der Goldbrokat T. 324 ist noch beträchtlich jünger. Auch der Flor in Flor gemusterte Samt: stoff T. 325 a mit Lotusblüten im althergebrachten Spitzovalnetz wird durch die im Beiwerk auftretenden Tulpen bereits dem 17. Jahrh. zugewiesen. Allein der vorherrschende Typus blieben die symmetrischen Rankenmuster seit der Zeit Schah Abbas des Großen (1587-1629) nicht mehr. Sie weichen allmählich den einseitig gewellten Parallelranken, die bald, — wie es ungefähr gleichzeitig in Italien geschah, — in Streumuster zerfallen. Der Zusammenhang der wellig aufsteigenden Ranken wird unterbrochen und die einzelnen Abschnitte bilden sich zu selbständigen Blütenstauden aus (T. 325 b, 326-328). Bei den älteren Beispielen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, zu denen der feingezeichnete Samt Abb. 611 (T. 326a) gehört, ist der ursprüngliche Wellenschwung trotz der Trennung noch deutlich nachzufühlen. Auch sind hier die hängenden Blüten noch lotusmäßig stilisiert, nur die nach oben gerichtete Blume wird naturähnlich als Iris gebildet. Im Sinne der naturalistischen Tendenz, die das Ausgangsstadium der neupersischen Kunst kennzeichnet, werden späterhin die Blütenstauden als wachsende Tulpen (T. 326b), Narzissen (T. 327), Hyazinthen (T. 328) dargestellt. Dabei bleibt die Wiedergabe der Pflanzen immer flächenhaft; zu der plastischen Wirkung des Lyoner Stils hat sich die orientalische Weberei niemals verstiegen. Gelegentlich tauchen auch in der Spätzeit noch stilisierte Streumuster auf (T. 329) ; eine häufige Abart verbindet mit den Stauden oder Bäumchen Vögel, Schmetterlinge und anderes Getier zu einer Art landschaft: licher Muster (vgl. Abb. 454).

Die Hofkunst der Sefiden, die mit ihren Jagd: und Tierteppichen die persische Knüpf; arbeit bis zur äußersten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und zu fast bildmäßigen Wirkungen steigerte, hat auch in der Weberei eine ganz verwandte Richtung gepflegt. Das 17. Jahr; hundert hat uns eine sehr stattliche Zahl persischer Figurenstoffe überliefert, die stilistisch mit der damaligen Buchmalerei, den seidenen Jagdteppichen und den Ispahaner Fayence; fliesen aufs engste zusammenhängen. Die vornehmsten Figurenstoffe sind so gewebt, daß die Figuren und die teils stilisierten, teils naturalistischen Blütenstauden zwischen ihnen in mehrfarbigem Samtflor mit erstaunlich feiner und klarer Innenzeichnung von flachem Gold: grund sich abheben (Abb. 612, T. 330). Figürliche Samtstoffe ohne Gold, also Flor in Flor gemustert, sind seltener als die Samtbrokate; häufiger dagegen glatte Seidengewebe mit oder ohne Gold.3) Von der außerordentlichen technischen Vollendung und den künstlerischen

  1. Persische Samtstoffe des 16. Jahrh. sind abgeb. in den Meisterwerken muham. Kunst. 1912, III T. 209; Collection Kelekian T. 75 rechts.

  2. Der Prager Samt ist abgeb. in Kunst und Kunsthandwerk XIII 1910, S. 451; in den Meisterwerken der muhammed. Kunst 1912, III T. 190.

  3. Beiläufig ist zu bemerken, daß die orientalische Weberei in der Türkei und in Persien seit dem 16. Jahrh. nur noch echte Metallfäden gebrauchte, wie sie in Italien mit der Spätgotik aufgekommen waren, das heißt vergoldeten oder weißen Silberlahn um einen Seidenfaden gesponnen. Der alte Hautgoldfaden ist auch im Orient vollständig verschwunden, sicherlich eine Folge des italienischen Einflusses.

Falke. Seidenweberei.

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