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0336 Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2
Kunstgeschichte der Seidenweberei : vol.2 / Page 336 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000240
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Vorzügen der Gattung gibt die Tafel 330 eine sehr zutreffende Vorstellung. Bei den Samt: stoffen beschränkt sich die Zeichnung wegen der schwierigen Herstellung in der Regel auf Einzelfiguren, schöne Frauen in der Zeittracht, manchmal von einer Dienerin begleitet, die zwischen blütenreichen Pflanzen lustwandeln, mit dem Jagdfalken spielen, am Duft einer Blume oder an der Flasche sich erfreuen (vgl. Abb. 612). Die glatten Seidenstoffe, die nicht auf die Kette allein zur Musterbildung angewiesen sind, gehen weiter zu erzählenden Bildern aus der iranischen Sage und Dichtung. Sie zeigen in verschiedenen Spielarten den Dichter Medschnun, den die launenhafte Prinzessin Leila unter die Tiere der Wildnis verbannte, bis sie selbst, im Palankin auf einem Kamel durch den Wald ziehend, ihn gnädig wiederauf, sucht; persische Reiter, die gefangene Mongolen mit geschorenem Kopf hinter sich herführen ; oder den Helden Iskender, wie er den Drachen erschlägt (Abb. 613).') Die Herstellung der Figurenstoffe scheint schon im 16. Jahrhundert zu beginnen, denn in den Beschrei: bungen von zwei persischen Gesandtschaften nach Konstantinopel in den Jahren 1560 und 1579 werden Prunkgewänder mit Bildern von Tieren und Menschen erwähnt 2) und der Samt in Prag, der einer älteren Stilrichtung angehört, könnte noch in diese Zeit fallen. Im Jahr 1600 überreichte ein Gesandter Abbas' des Großen dem Dogen von Venedig einen Gold: samt mit der Verkündigung Mariä „un panno tessuto d'oro et di velluto rappresentante l'Annunziacione di Maria Vergine". Dieser ist nicht erhalten; wohl aber ein Gegenstück, das Schah Abbas, der sich um Handelserleichterungen bei der Signorie bemühte, für die Marcuskirche weben und mit anderen kostbaren Stoffen dem Dogen Marino Grimani 1603 durch denselben Gesandten Fethy Beg darbringen ließ. Es ist der Samtbrokat des Correr: museums, auf dem in sehr großem Maßstab die Muttergottes mit dem Kind und einer Dienerin in blumigem Gelände, an einem Fischteich sitzend dargestellt ist. Die Zeichnung ist trotz des christlichen Motivs rein persisch, die heiligen Figuren sind mit flammenden Nimben chinesischen Stils versehen.3) Die Figurenweberei stand damals noch nicht ganz auf ihrer Höhe; an Schönheit der Zeichnung und Ausführung bleibt der Marienstoff von 1603 hinter dem Fragment T. 330 noch zurück. Das letztere ist augenscheinlich von ganz gleicher Arbeit wie die figürlichen und ornamentalen Samtbrokate, die eine persische Gesandtschaft 1639 als Geschenke des Schah nach Schloß Gottorp brachte. Sie dienen heute zur Wandbeklei: dung eines Zimmers der Rosenborg in Kopenhagen. Aus derselben Werkstatt stammt noch ein Samtrock in der Leihrüstkammer zu Stockholm, ein Samtbrokat im Museum von Krakau und ein trefflich erhaltenes Stück in Karlsruhe, das der Markgraf Ludwig von Baden 1683 aus der Türkenbeute vor Wien gewann.') Die Muster aller dieser Samtbrokate sind, wenn nicht von einem Künstler gezeichnet, so doch sicherlich in einer gemeinsamen Malerschule entstanden, sehr wahrscheinlich in derselben, die auch die Entwürfe für die seidenen Jagd: teppiche in Wien und Paris geliefert hat. Die chinesischen Formen, die an den Jagd: und Tierteppichen der Sefiden auffallen, fehlen auch den figürlichen Geweben nicht, wie die Drachen und langgeschwänzten Vögel im Iskenderstoff zeigen (vgl. Abb. 613). Man muß daraus schließen, daß die Figurenstoffe aus einer jener sefidischen Hofwerkstätten hervorge: gangen sind, von denen Chardin berichtet, der gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts Persien als ein aufmerksamer Beobachter aller gewerblichen Dinge bereiste. Er rühmt unter den

') Den Hauptbestand dieser Gewebe hat F. R. Martin in zwei Büchern „Figurale persische Stoffe" und „Die persischen Prachtstoffe im Schloß Rosenborg" besprochen und abgebildet ; einige Nachträge bringen die „Meisterwerke muhammed. Kunst III" T. 189-200.

  1. Martin, Prachtstoffe, S. 13.

  2. Martin, Figurale persische Stoffe fig. B. — In den Meisterwerken muhammed. Kunst III T. 204 ist eine jüngere Decke aus persischem Brokat abgebildet, die zwischen naturalistischen Blumen den Marcuslöwen mit einer Inschrift „Pax tibi Marce, Evangelista meus" aufweist; sie ist wahrscheinlich für eine ähnliche Ge= legenheit gewebt worden.

') Martin, Figurale persische Stoffe, T. 1 u. 5.

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