National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0091 Am Tor von Asien : vol.1
Am Tor von Asien : vol.1 / Page 91 (Grayscale High Resolution Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000243
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

73

nopel, das einst das Eivan Sarai Qapusu von Stambul schmückte. Der weiße Marmorblock ist 2,68 m hoch, 1,5 m breit. ;'113/ Die Göttin schwebt hier nicht, sondern schreitet auf einer unregelmäßigen, den Boden andeutenden Linie. Da sie unzweifelhaft weiblich ist, so ist sie eine Nike, nicht wie sie in neuer Zeit oft genannt wurde, ein Erzengel. Der Typus geht auf ein hellenistisches Urbild aus dem V. Jhdt. v. Chr. zurück; dies Urbild erhielt eine Umgestaltung in hellenistischer Zeit, und von ihr stammt das Konstantinopeler Stück selbst ab, das in Constantinischer Zeit, im IV. Jhdt. n. Chr. geschaffen ist. Es scheint im XVII. Jhdt. am Tor in einer Verkündigungsgruppe in der Rolle des Erzengels verwandt gewesen zu sein. Und der Typus der christlichen Erzengel ist aus dem der griechischen Niken durch Vermännlichung entwickelt. Ursprünglich kann aber diese Nike nicht in jener Verkündigungsgruppe gestanden haben, und bei der Frage nach ihrer ursprünglichen Anordnung entsteht natürlich der Gedanke, ob sie mit einem symmetrischen Gegenstück ähnlich wie bei Niken des Täq i bustän am Tor angebracht gewesen sei.

In genau derselben Verwendung, in großem Stil, als beherrschender Schmuck eines Bogens, wie an den römischen Triumphbogen, ist das Motiv durchaus nicht häufig. Ich erinnere mich eines Goldmosaiks in San Vitale in Ravenna als einzigen Beispiels im gesamten Bereich des östlichen Hellenismus, indem ich diesen Namen hier im Gegensatz zum westlich-römischen Kreis fasse. /114/ Aber nicht nur gegenständlich sondern auch förmlich verwandt ist ein geläufiges Motiv der Kleinkunst: Paare von Engeln, die wie auf dem ebenfalls auf Tafel XXVII o. abgebildeten Barberini-Diptychon im Louvre, den Kreis des Firmaments mit dem Brustbild Christi halten. Diese berühmte Elfenbeinschnitzerei stellt in ihrem Mittelfelde, Tafel LI I. sehr wahrscheinlich den Kaiser Justinian dar, und ist damit datiert. Die Engelgruppe aber ist in dieser Gattung ganz herkömmlich und daher sowohl früher als später zu finden. Paare von Niken oder Eroten sind ein besonders beliebter Schmuck heidnischer und ebenso christlicher Sarkophage. /115/

Zur Annahme einer zeit- und örtlich vermittlungslosen Übertragung des Motivs durch byzantinische Künstler scheint mir das nicht zu genügen. Es gibt andre Vorkommen. Genau in der gleichen Verwendung, nur mit dem winzigen Unterschiede, daß beide Niken gemeinsam einen Kranz über dem Bogenscheitel einer Nische halten, erscheint das Motiv in der Preta-Höhle von Ming Oi bei Qyzyl. Wie im Tâq i bustän in der Grotte das Reiterbild Khosrô's II. steht, so sitzt dort in der Nische Buddha. Die griechische Wesensart und Herkunft der mittelasiatischen „Kranzträger" hat GRÜNWEDEL natürlich hervorgehoben. Auch in der Schwertträger-Höhle von Ming Oi bei Qyzyl fliegen je zwei Götterpaare in der Haltung der Göttinnen des Tâq i bustän auf die Buddha-Nische herab. Und in der „übermalten" Höhle desselben Orts »setzt eine Göttin in Gestalt einer griechischen Nike Buddha einen Kranz auf". /116.

Daß auch diese östlichen Niken von einem Werke des V. Jhdt. v. Chr. stammen, kann nicht in Frage gezogen werden. Seine Nachkommen leben fort, soweit überhaupt die Einwirkung griechischer Kunst reicht. Wenn nun aber an einem Werke sasanidischer Zeit in Iran Motive und Formen auftreten, die ihre nächste Gleichbildung in buddhistischen Malereien Mittelasiens haben, so ist die notwendige Schlußfolgerung, daß die manichaeische Malerei das vermittelnde Glied zwischen beiden Vorkommen war, und daß der Gegenstand der manichaeischen Malerei

10 HERZFELD, Asien